Weingut-Besuch bei Jamek in Joching in der Wachau. Nach der spektakulären Verkostung reifer Weine unlängst daheim mit einer umwerfenden Muskateller-Auslese von 1995 musste der Besuch einfach sein. Eine Auslese vom Gelben Muskateller gibt’s bei Jamek aktuell nicht, dafür andere feine Tropfen. 

Pionier in der Wachau

Das Weingut Jamek (begründet 1910) ist eine Legende. Josef Jamek (1919 – 2011), der Großvater der Ehefrau des jetzigen Chefs Herwig Jamek, gehörte nach dem Zweiten Weltkrieg zu den Pionieren des Weinbaus in der Wachau. Er zählt zu den Mitgründern der Vinea Wachau, setzte in den 1950er-Jahren mit trockenen Weißweinen Maßstäbe im österreichischen Weinbau. Sein Einfluss und seine Verdienste sind nicht hoch genug zu würdigen.  „Er hat begonnen, die Weine durchzugären und nicht mehr aufzuzuckern“, erzählt Herwig Jamek. „Die Weine sollten ein jahrgangstypisches Gesicht haben dürfen, was ihnen in der Zeit davor verwehrt worden war. 1985 gab es die erste Steinfeder vom Grüner Veltliner. Das war eine absolute Novität, denn bis dahin wurde kräftig aufgezuckert.“ Die Rolle als Pionier scheint im Fall Josef Jamek fast noch untertrieben.  

Steinfeder, Federspiel & Smaragd

Schließlich gilt Josef Jamek auch als Erfinder der wegweisenden Klassifizierung der Weine aus der Wachau. Nur Mitglieder des Gebietsschutzverbandes Vinea Wachau (über 90 Prozent der Betriebe im Gebiet) dürfen die berühmten Begriffe Steinfeder, Federspiel und Smaragd verwenden.
Kurz und präzise erklärt Herwig Jamek die Kategorien. Steinfeder ist der Name der frischen, leichten und duftigen Weine der Wachau. Namensgeber war die Steinfeder (Stipa pennata), ein federleichtes Gras, das an den steilen Weinbergen zu finden ist. Der Name Federspiel  führt auf einen alten Brauch  bei der Falkenjagd  zurück. Diese Weine werden ausnahmslos klassisch trocken vergoren. Smaragd schließlich erinnert an die Smaragdeidechse, die in den Wachauer Weinterrassen zu finden ist. Die Trauben müssen ein Mindestgewicht von 92 Öchsle haben und der Wein darf nicht vor dem 1. Mai des auf die Lese folgenden Jahres in den Verkauf kommen.

Eine Flasche der ersten Steinfeder von 1985, passend dazu das namensgebende Gras.

Quereinsteiger 

Josef Jamek übergab das Weingut 1996 an seine Tochter Jutta und den Schwiegersohn Hans Altmann. Beide leiteten den Betrieb bis 2012. 2012 übernahm Herwig Jamek. Ein Quereinsteiger. Eigentlich ist Herwig Jamek Mediziner, war nicht nur Schwiegerenkel sondern auch Hausarzt der Familie. Als die Entscheidung zur Übernahme des Betriebes anstand, sagte er nach gewiss einigen schlaflosen Nächten: Ja. Er absolvierte an der Weinbauschule Krems eine Winzer-Ausbildung und führt das so traditionsreiche Weingut seit nun zehn Jahren mit Geschick und Leidenschaft.
Aktuell bewirtschaftet das Weingut Jamek 25 Hektar Rebfläche, es gehört damit zu den größeren Betrieben im Gebiet. 95 Prozent der Fläche sind mit weißen Reben bestockt, davon wiederum 70 Prozent mit Grünem Veltliner. Die Trauben werden ausschließlich von Hand gelesen, gären im Edelstahlbehälter bis zum natürlichen Stillstand der Gärung. Danach erfolgt der Ausbau der Weine zum Teil im großen Holzfass.

Sommer im  Glas

Nun aber die Weine. Start mit der sommerlichen Cuvée Müller-Thurgau/Rivaner 2021. Auf dem Etikett darf nicht Rivaner stehen, die Sorten sind dafür nicht zugelassen. Aber was kümmert einen leichten Sommerwein das Etikett. Die Cuvée ist frisch, fruchtig, blumig. Passend zur Jahreszeit strömt der Duft von Frühlingsblumen aus dem Glas in die Nase. Ein gelungener Start, macht Lust auf mehr.

Starke Veltliner

Nun die 2021er Grüner Veltliner Steinfeder. Auch hier schöne Frische und Leichtigkeit. Herwig Jamek sagt: „Es wird immer schwerer eine Steinfeder zu produzieren.“ Wir ahnen es: der Klimawandel sorgt für ordentlich Oechsle in den Trauben. So wird das mit leichten, alkoholärmeren Weinen wirklich schwerer. Schade.
Es folgen die Federspiele. Zuerst der Grüne Veltliner Federspiel Stein am Rain 2021. Für mich ein Veltliner aus dem Lehrbuch. Tolle Aromatik, dunkle Früchte, feine Würze, präsent, aber nicht zu wuchtig. Wächst auf reinem Lößboden, die Auflage hat satte 14 Meter.
Ganz anders der Grüne Veltliner Federspiel Ried Achleiten 2021. Der hat mehr Säure als sein Bruder vom Stein am Rain. Weiter notiert: helle Frucht, viel Mineralität, schöne Säure. Die Ried Achleiten ist eine Terrassenlage. Die Humus-Auflagerung beträgt nur 2 Meter, darunter findet sich dann Gneis (Fels). Die Frage, welcher der beiden Veltliner besser schmeckt, stellt sich nicht – sie sind halt verschieden. Gleiche Rebsorte, gleiches Klima, gleiches Jahr, gleiche Verarbeitung – ein Lehrbeispiel, welchen Einfluss der Boden auf den Charakter der Weine hat.
Die Smaragde werden in alten Holzfässern ausgebaut. Sie sind ein Gedicht. Der Grüne Veltliner Smaragd 2020 Ried Liebenberg (Kalk- und Paragneis-Boden), strahlt dunkelgelb und hat 5 Gramm Restzucker. Marille! Hat natürlich noch ein schönes Leben vor sich, ist aber schon jetzt mit Freude genießbar. Der Grüne Veltliner Smaragd Ried Achleiten 2020 ist umwerfend! Wunderbare Farbe, eine gelbfruchtige, verspielte Nase, tolle Balance von allem. Die 14% Alkohol geben das richtige Gerüst. Ein Wein für Jahrzehnte!

Herwig Jamek im Verkaufsraum des Weinguts.

Tolle Rieslinge

Die „Riesling-Tour“ beginnt mit dem Riesling Federspiel Ried Pichl  2021. Es gibt viel zu riechen und schmecken: Marille, Pfirsichblüte , Zitrone, Limette. Da bleiben keine Wünsche offen. Den so schön nach Blüten duftenden Riesling Ried Klaus 2020 nennt Herwig Jamek ein „Missgeschick“. Wie das? „Der sollte ein Federspiel werden, da sind aber nur maximal 12,5% Alkohol erlaubt. Der Wein hat aber 13,3%, eine Abrundung ist nicht möglich. Smaragd ist auch nicht möglich, deshalb steht nur Riesling auf dem Etikett.“ „Nur Riesling“ scheint eine starke Untertreibung, das ist schlicht und einfach ein feiner Wein.
Beim Riesling Smaragd Freiheit 2020 darf Smaragd draufstehen. Aber was heißt hier Freiheit? Herwig Jamek klärt auf. „Mein Schwiegervater kommt aus dem Weinviertel und hat den Namen mitgebracht. Gewachsen ist der Riesling im Ried Klostersatz in Dürnstein, Schwemmland von der Donau. Dort gibt es eine Parzelle, die seit den 1980er Jahren Freiheit heißt.“ Gegen Freiheit kann niemand etwas haben – und gegen diesen Riesling schon gar nicht. Der präsentiert sich schön knackig und würzig, ein ausgezeichneter Vertreter seiner Familie.  

Reife Smaragde

Der Riesling Smaragd Ried Klaus 2017 hat natürlich mehr Reife, das spürt man. Wieder Marille in Nase und Gaumen! „2017 war ein sonniges Jahr, die Trauben hatten eine tolle Reife, das gab kräftige Weine“, erklärt Jamek. Klar, dieser Riesling hat noch ein langes Leben vor sich.
Den Riesling Smaragd Ried Klaus von 2014 will Herwig Jamek sofort wieder vom Tisch nehmen. „Komische Nase, vielleicht Kork“, sagt er. Ich will und darf trotzdem probieren. Ja, in der Nase gibt’s ein klitzekleines Rätsel (vermute, es kommt eher vom Holz als vom Kork, der Wein lag schließlich 12 Monate im Holzfass), aber im Geschmack ist gar nichts mehr komisch. Im Gegenteil, das ist ein fantastischer, reifer Riesling, mit Honignoten und  Aromen von Bienenwachs. Ganz groß!

Süße Versuchung

Zum Finale noch eine Riesling Beerenauslese Ried Klaus 2017. Helles Gold in der Farbe, 8,5% Alkohol. Die 180 Gramm Restzucker werden von stolzen 9,5 Gramm Säure perfekt abgefedert. Heraus kommt eine Beerenauslese von überraschender Leichtigkeit, Frische und  Lebendigkeit. Wir entdecken Aromen von Mandarinen und Birnenkompott, der Wein macht viel Freude.

PS 1: Ein Tipp beim Besuch im Weingut Jamek ist das stilvolle Restaurant mit vorzüglicher österreichischer Küche, das von Johannes Altmann, einem Cousin Herwig Jamek betrieben wird.
PS 2: Habe bei anderer Gelegenheit einen Chardonnay von Jamek probiert. Lohnt sich.


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