War kürzlich auf Weintour unterwegs am Neusiedler See. Eine gute Gelegenheit, bekannte Adressen zu besuchen, aber auch Neues zu entdecken. Nächste Station nach dem Weingut Achs-Wendelin: Weingut Heinrich in Gols. 

Unfassbar groß

Das Weingut Heinrich ist ein Gigant. Ein futuristisches und hochmodernes Anwesen, 100 Hektar Rebfläche, 35 Mitarbeiter. Komplette Lese per Hand. Der Keller hat zwei Etagen. Dort stehen vier Pressen und eine mobile Abfüllanlage. Bio-Betrieb seit 2006, seit 2019 biodynamische Bewirtschaftung, zertifiziert mit „Respekt“. Das bedeutet strengere Richtlinien als Demeter. Wie das geht? Offenbar funktioniert es. Heike und Gernot Heinrich sind beim Besuch nicht vor Ort, Kellermeister Harald Lehner stellt den Betrieb und die Weine vor. Keine schlechte Lösung. Quasi im Laufschritt geht es durch das Labyrinth der riesigen Kellerräume. Zu sehen sind Edelstahl-Tanks, Holzfässer, Beton-Eier und Barriques, viele Amphoren. Alles unfassbar groß. 

Im Fasskeller

Naturwein und Freyheiten

Groß sind auch einige Weine. Wir beginnen im Test mit dem Naked White 2020. Das ist ein Naturwein der wild anmutenden Cuvée aus 35% Chardonnay, 30% Weissburgunder, 10% Welschriesling, 10% Grüner Veltliner, 5% Neuburger, 5% Muskat Ottonel, 2,5% Pinot Gris  und 2,5% Roter Traminer. Stichworte der Weinbereitung: Nach der Lese auf der Maische belassen, spontane Gärung und biologischer Säureabbau. Auf der natürlichen Hefe im großen Holzfass gereift, unfiltriert abgefüllt. Ein Wein, der jedem Weinfreund Ängste vor Naturweinen nehmen kann. Nach dem „scharfen“ Start haben es die „Freyheiten“ (die Schreibweise variiert und ist eine eigene Wissenschaft) nicht leicht. Bei der 2017er Weisze Freyheit (97% Weissburgunder und 3% Muskat Ottonel) von 30 Jahre alten Reben kommen Assoziationen zu Wiese und Blumen auf. Die Graue Freyheit (50% Weissburgunder, 20% Grauer Burgunder, 15% Chardonnay, 15% Neuburger) bewegt sich zwischen Weißwein und Rosé. Sie geht eher als Orange-Wein durch. Sehr spannend! Am originellsten von den probierten Freiheiten fand ich den 2020er Muscat Freyheit (70% Muskat Ottonel, 30% Weissburgunder). Der ist elf Monate in der Amphore gereift. Von Wiese, Blumen, exotischen Früchten bis hin zu Kräutern und Bitterstoffen hat er alles zu bieten. Klasse! 

Amphoren im Keller

„Schönheit des Nichtstuns“ 

Die „rote Tour“ beginnt mit dem „Oh when the Saints 2021“ genannten PetNat  vom St. Laurent. Die Machart konkret: Direktpressung, spontane Gärung, nach drei Wochen in den Stahltank gefüllt, ab März 2022 degorgiert. Der Wein ist keiner von der Stange, ein Individualist und richtig gut. Naked geht’s weiter, doch eine Begeisterung wie der Naked White können Naked Rosé und Naked Red bei mir nicht entfachen. Dafür hat es mir der unkomplizierte, frische und geradlinige Pinot Noir angetan. Der kann ein guter Freund sein. Wilder, entschlossener, charismatischer aber die Pinot Freyheit 2019. Das ist ein Pinot Noir mit abenteuerlicher Entstehungsgeschichte. Zwei Wochen mit einem Drittel ganzer Trauben auf der Maische belassen, dann 17 Monate auf der natürlichen Hefe in gebrauchten 500 Liter Eichenfässern und in Amphoren gereift. Wunderbar poetisch dazu die Beschreibung Heinrichs: „Der Pinot Freyheit ist zuhause in vielen Welten. Er huldigt der beerigen Frucht mit ihrem hell erröteten Antlitz. Er verehrt den Glimmerschiefer, aus dem er stammt und der ihn festigt. Er streckt sich gen Sonne und feiert den, von Luft erfüllten Raum, in dem die Schönheit des Nichtstuns eine behütete Heimat gefunden hat.“ Alles klar?

Heinrich-Selektion

Die Elite 

Bevor es zu den großen Blaufränkischen geht muss noch der 2019er St. Laurent gewürdigt werden. Feuer, Schwefel, ein animalischer Ton, Wildheit – der ist keiner der Kategorie  08/15. Aber es geht die Leiter immer höher. Im Glas ist jetzt der Pannobile 2019 (55% Zweigelt plus 45% Blaufränkisch). Toller Wein, ein Aushängeschild des Burgenlandes. Auf dem Level geht’s weiter. Die 2017er Blaufränkisch von den Rieden Edelgraben und Alter Berg sind gleich vinifiziert (29 Monate in der Amphore und in gebrauchten 500 Liter Eichenfässern) und doch verschieden. Das Terroir ist verantwortlich. Der Alte Berg hat Kalkboden, der Edelgraben reinen Schiefer – und das schmeckt man. Ein besser oder schlechter gibt es nicht, die Weine sind halt anders. Die Cuvées von den Top-Lagen Gabarinza (Zweigelt + Blaufränkisch + Merlot) und Salzberg (50% Merlot + 50% Blaufränkisch) sind die Speerspitzen in Heinrichs Portfolio. Wahrhaft große Weine, international berühmt und vielfach gewürdigt. Alles zu Recht.

Futuristisch und groß: Weingut Heinrich.

Das Programm bei Heinrichs reicht noch für viele Besuche. Doch weiter geht’s. Nächste Stationen: Weingut Lehner, Weingut Umathum. Und dann gibt’s ja noch die Vinotheken…

Das erste Foto zeigt den Blick aus dem Verkostungsraum durch eine Glasdecke in die beiden Kelleretagen.


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