Der Mann ist eine Berühmtheit und ihn zu treffen war ein großes Vergnügen: Angelo Gaja* – Kultwinzer aus Italien – hielt in Neustadt/Weinstraße auf Einladung von véritable14 und der Pfalzwein e.V. einen zweistündigen Fachvortrag. Bei einem meet & greet zuvor in kleiner Runde präsentierte Gaja Weine aus seinen drei Weingütern in Barbaresco, bei Montalcino und in der Maremma. Die waren alle sehr gut, aber schon da standen weniger die Weine, sondern mehr der charismatische 73-Jährige mit seinen immer leidenschaftlich, oft witzig vorgetragenen Erzählungen/Belehrungen/Weisheiten im Mittelpunkt. Nach wie vor hat das Weingut Gaja keinen Internet-Auftritt.

Einige Thesen aus Gajas Vortrag, den Willi Klinger, Chef der Österreichischen Wein Marketing, so gekonnt wie engagiert übersetzte:

Foto: Pfalzwein e.V.

Foto: Pfalzwein e.V.

Angelo Gaja 
… zur Familiengeschichte: Der Buchstabe j im Namen deutet auf spanische Wurzeln, Urgroßvater Giovanni Gaja hat 1859 das Weingut gegründet, er selbst führt es jetzt in der vierten Generation. Stark beeinflusst hat ihn seine Großmutter. Die ältesten Söhne der Familie heißen immer abwechselnd Giovanni – Angelo – Gioavanni – Angelo usw.
… zum Thema Vergangenheit: „Geschichte erfordert einen radikal anderen Zugang. Schaut doch nicht immer zurück, das ist alles vergangen. Vergangenheit hat einen Wert, aber sie erklärt einen nicht immer, wie es weitergeht.“ Die letzten 25 Jahre im Weinbau seien eine Revolution gewesen, die Weine sind sauberer, präziser  geworden, die Hygiene im Keller habe sich enorm verbessert
… zu zwei grundsätzlichen Stilen: „Der erste ist, Weine gefällig zu machen. Der zweite sind Weine, die das Terroir widerspiegeln. Der erste ist der Weg der Großkellereien, die bestimmen auch den Geschmack. Der zweite ist für mich interessanter.“
… zum Thema Erfolg: „Die erfolgreichen erkennen den Moment, wenn es etwas zu entscheiden gibt. Man muss den Neid bekämpfen.“
… über das berühmte Schild an seinem Weingut, das Besuche nicht erwünscht seien: „Das Schild ist weg, seit 2 Jahren sind Besuche möglich. Das kostet aber  250 Euro pro Person. Das Geld geht an Charity-Projekte, über das die Besucher mitbestimmen können.“
… Rat an Winzer: „Ihr braucht die Fähigkeit, Wein erzählen zu lassen, aber nicht nur über nicht die technischen Aspekte. Jeder Wein braucht eine Geschichte. Macht Erzählkurse!“
… zitiert eine Weisheit seines Vaters Giovanni: „Er hat den berühmten Satz gesagt: Wer zu trinken versteht, versteht zu Leben.“
… über Artisani (frei übersetzt: Handwerker): „Ein Artisani lässt sich nicht diktieren, zu welchem Preis er den Wein wann und an wen verkauft. Das bestimmt er alles selbst. Genossenschaften sind überall wichtig, auch die Kleinerzeuger. Aber die Qualität wird entscheidend von den Artisani vorangetrieben.“

Gaja nennt Beispiele: 
Eduardo Valentini in den Abruzzen (1934-2006), er hat den armseligen Trebbiano zu einem großen Weißwein gemacht, 40 Jahre hat das gedauert.
Mario Incisi della Rocchetta (1899-1983). Er hat 1943 einen halben Hektar Cabernet Sauvignon in Bolgheri gepflanzt. Alle haben gesagt, er ist verrückt, das ist unmöglich, das geht nicht. Er hat den Wein Sassicaia genannt und damit eine ganze Gegend inspiriert.
Ferruccio Biondisanti (1849-1917), der Vater des Brunello dI Montalcino. Der  hat sich vor 150 Jahren in den Kopf gesetzt, aus 100 Prozent Sangiovese einen großen Wein zu machen.
Aldo Conterno (1931-2012), ein großer des Barolo und ein Freund. Er hatte einen unglaublichen Humor. 2008, als die Finanzkrise ganz furchtbar war und niemand mehr Wein kaufen wollte, habe ich ihn getroffen und gefragt; Wie geht’s? Schlecht, hat er gesagt, jetzt kaufen nicht mal mehr die, die nie bezahlen. Das ist das höchste der Krise.

Schlusssatz Angelo Gajas: „Ich möchte ein Artisani sein.“

Sein Ausführungen über „kommunistische Regenwürmer“ gibts im nächsten Newsletter!

*Angelo Gaja (zwei Töchter, ein Sohn) ist international wohl der bekannteste italienische Weingutsbesitzer und einer der angesehensten Barolo- und Barbaresco-Produzenten. Er hat in Alba, Montpellier und Turin Weinbau und Wirtschaft studiert und trat 1961 mit gut 20 Jahren in das Familienunternehmen ein.  Angelo Gaja ist ein Star, ohne ihn würde das Piemont, insbesondere die Langhe, heute wohl nur halb so viel Renommee haben. Er ist eine Mischung aus Weinmacher und Manager. Keiner tritt so eloquent in der Öffentlichkeit auf wie er, kein anderer in Italien kann es sich erlauben, seine Gewächse so teuer zu verkaufen, aber auch kein anderes Weingut zeigt eine so große Beständigkeit an Spitzenweinen. Angelo Gaja, unterstützt durch seinen Kellermeister Guido Rivella, führte eine Reihe von innovativen Ansätzen ein (Ertragsreduzierung, kontrollierte Vergärung in Stahltanks, Barrique-Einsatz).  In den 1990er Jahren expandierte Gaja in der Toskana und im Bolgheri, hier als Nachbar des berühmten Sassicaia. Wie schreibt der Gambero Rosso so schön: „Gaja ist und bleibt der Größte.“


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