Es sind keine schönen Tage im Corona-Lockdown. Die Begegnungen mit Winzern fehlen, interessante Verkostungen, Reisen. In den trüben Tagen helfen neben einem schönen Wein Erinnerungen. Jetzt gerade zum Beispiel bei einer Flasche Merlot „Chant de la Terre“ von der Domaine Verena Wyss aus dem Herzen des Languedoc. Und damit zugleich Erinnerungen an eine herrliche Tour im Midi und an eine wunderbare Begegnung mit der Winzerin Verena Wyss auf einem Weinfest in Pézenas. Die Schweizerin kredenzte zunächst erstklassige Weine ihres Bio-Weinguts in Gabian: Feiner Viognier, Klasse Rosé, ein Wein der exzentrischen Rebsorte Lledoner Pelut (ein Cousin des Grenache) und schließlich der Merlot. Dann sind wir schnell ins Gespräch gekommen. Einige Fragen beantwortete Verena Wyss später noch per Email.
Wie sind Sie als Schweizerin ins Languedoc gekommen?
Mein Mann und ich haben diesen wunderbaren Ort Canteperdrix durch Bekannte im Jahr 1989 entdeckt.
Wie leicht oder schwer war es, sich als „Fremde“ dort zu etablieren?
Voraussetzung ist die Kenntnis der Sprache, das Entgegengehen und der Wille, sich zu integrieren. Viele Südfranzosen sind selbst Einwanderer aus dem spanischen Bürgerkrieg, die Garcias,Fuentes etc.
War es dazu noch etwas Besonderes, als Frau ein Weingut zu führen?
Nein, das ist hier nichts Besonderes. Aber es stimmt, dass viele Domaines aus administrativen Gründen der Frau überschrieben sind und der Mann der Winzer ist.
Woher kommt Ihre Liebe zum Wein?
Der Wein ist seit meiner Kindheit ein kultureller Bestandteil. Meine Großeltern waren Weinbauern im Tessin in der Südschweiz.
Wie würden Sie Ihre Weine selbst charakterisieren? Sie sind nicht gleich als typisch südfranzösich erkennbar.
Geradlinig, ungekünstelt und trotzdem den Ausdruck der Fruchtigkeit wegen des sonnigen Klimas nicht verleugnend.
Welchen Wein öffnen Sie gerne, wenn Sie nach getaner Arbeit nach Hause kommen?
Ein Glas WYSSwein, im Sommer «gespritzt».
Und was wird zu besonderen Anlässen entkorkt, Weihnachten etwa?
Da wähle ich passende Weine zu den gekochten Köstlichkeiten. Meinen Viognier Tradition zu Sauerkraut und Rebhuhn zum Beispiel.
Welcher Wein, den Sie einmal getrunken haben, hat den bisher größten Eindruck hinterlassen?
Das kann ich leider nicht beantworten.
Ihre Meinung: Kork, Glas oder Schraubverschluss?
Ich verwende Kork- und neuerdings Zuckerrohrzapfen.
Sie arbeiten nach biologischen Prinzipien. Weil das ein Trend ist oder aus Überzeugung?
Bei der Übernahme des Gutes anfangs der 90-er Jahre waren alle alten Reben ausgerissen. So haben wir eine Parzelle nach der anderen nach biologischen Richtlinien angebaut. Die letzte im Jahr 2000. Die Zertifizierung erfolgte erst 2012, weil es erforderlich ist.
Wird der Bio-Weinbau im Languedoc gefördert? Stoßen Sie auf Hindernisse?
Ja, es sind Bestrebungen im Gange, vor allem mit Staatshilfen für junge Winzer. Das geht nicht immer gut. Nein, ich kenne keine Hindernisse.
Manche Winzer lassen Weine mit Musikbegleitung reifen, andere setzen auf die Lese bei Vollmond. Was halten Sie von solchen Ideen, praktizieren Sie selbst etwas Außergewöhnliches?
Falls sich der Mensch dabei wohl fühlt ist es sicher auch für den Wein von positiv. Wenn ich in meinem Keller Tom Waits oder die Fünfte von Gustav Mahler lautstark höre, ist dies meiner Meinung nach dem Wein egal.
Braucht es Ihrer Ansicht nach eher mehr oder weniger Regulierungen?
Spontan sage ich: weniger Regulierungen, die bringen uns in peinliche Situationen wenn es um zuviel administrative Arbeit geht, die vielen Winzern über den Kopf wachsen.
Welche Auswirkungen auf den Weinbau befürchten Sie mit dem Klimawandel?
Es wird zuviel darüber, auch aus politischen Gründen, gesprochen. In meinem Betrieb gab es in den 90-er Jahren und dann auch 2003 bereits Perioden des Wassermangels.
Mit wem würden Sie gerne mal ein Glas Wein trinken?
Mit Angela Merkel.
Lassen Sie sich bei der Weinbereitung von einer bestimmten Philosophie leiten?Nein, nicht besonders. Ich bin glücklich und dankbar, Wein aus gesunden und reifen Trauben keltern zu dürfen.
Gibt es den perfekten Wein?
Den gibt es so wenig wie es den perfekten Menschen gibt. Vermutlich gibt es eher das perfekte Marketing für Wein…
P.S. In einer Mail schrieb Verena Wyss noch: „Vielleicht sind meine Ansichten eher von nüchterner Natur. Ich bin aber nicht dagegen, dem Konsumenten noch etwas von seinen eventuellen mystischen Vorstellungen zu lassen.“
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