Alois Lageder ist eine Legende im Weinbau Südtirols. Das Weingut Lageder (63 Hektar) liegt nahe der Ortschaft Margreid zwischen Meran und Bozen. Es wurde 1823 von der Familie Lageder gegründet und ist heute in der fünften Generation im Besitz von Alois Lageder, der als Bewahrer der Familientradition gilt, andererseits aber auch Innovativität unter Beweis gestellt hat. Seit 2004 wurde der landwirtschaftliche Betrieb auf biologisch-dynamische Arbeitsweise umgestellt.

Was ist das Besondere an Weinen aus Südtirol?
Die Südtiroler Weine bringen aufgrund natürlicher Gegebenheiten eine sehr große Eleganz hervor. Wir haben sehr heiße Tage, die die Trauben zu voller Reife bringen. Gleichzeitig haben wir, weil wir in der Mitte der Alpen gelegen sind, sehr kühle Nächte. Das gibt große Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht. Die kühlen Nächte erhalten die Säure und die Aromastoffe. Auf der einen Seite haben wir so eine gute Struktur, einen guten Körper. Auf der anderen Seite eine Frische, eine Säure, die dem Wein tolles Rückgrat verleiht und durch die reifen Früchte auch eine große Fruchtsüße. Deswegen sind die Weine abgerundet und können auf Grund dieser Eigenschaften ganz durchgegoren und trotzdem anmutig sein und eine große Eleganz haben. Wir versuchen immer, diese Eigenart der Südtiroler Weine zu unterstreichen.

Was unterscheidet die Weine von denen aus anderen Regionen?
Andere können wahnsinnig kräftige Weine machen oder sehr feingliedrige Weine. Ich glaube, wir liegen dazwische. Mein Südtiroler Wein ist ein Kennzeichen des Zusammenkommens des Nordens und des Südens, dem man ja in Südtirol in allen Bereichen begegnet, sei es in der Landschaft, in der Kultur, in den Menschen, in den unterschiedlichen Sprachen, in der Architektur, in der Gastronomie. Überall kommt der Norden und der Süden zusammen und das ist beim Wein auch so.

Sie waren einer der Ersten oder gar der Erste, der in Südtirol biologisch-dynamischen Weinbau eingeführt hat. Was hat Sie angetrieben?
Nein, Vorreiter waren andere. Da gibt es auch weniger bekannte, aber von den bekannten Winzern war es sicher der Rainer Locker, der in den 70ern mit der biologischen Wirtschaftsweise angefangen hat.

Aber Sie gehören schon zu den Pionieren…
Ja, sicher. Es haben viele früher angefangen, aber mein Weingut ist ja auch ein eher größeres und da gab es zunächst andere Prioritäten. Aber ab den 90er Jahren wurden mehr und mehr biologisch-dynamischen Prinzipien umgesetzt. Es ist jetzt über 10 Jahre her, dass wir den Betrieb umgestellt haben und wir sind sehr glücklich. Es ist eine tolle menschliche Erfahrung gewesen, die wir da gemacht haben, das gilt für das ganze Team. Weil es eine große Bereicherung ist, wenn man einfach mit der Natur wieder mehr Kontakt pflegt, sich mehr mit ihr befassen muss. Das ist eine schöne Möglichkeit, ein bisschen mehr die Schöpfung zu fühlen. Für mich war das eine tolle Bereicherung. Überdies ist das eine Möglichkeit, nachhaltig zu handeln, die Umwelt zu respektieren und zu schonen. Vor allem aber ein Produkt zu schaffen, das keine chemischen Rückstände hat, das voller Energie und Vitalität ist und deshalb eine größere Bekömmlichkeit hat.

Würden Sie aus heutiger Sicht etwas anders machen?
Nein. Aber ich hätte es viel früher umsetzen sollen. Ich hatte gegen Ende der 70er Jahre mit der Idee gespielt und mir das als Ziel gesetzt. Mir tut es heute leid, dass ich nicht schon vor 20 Jahren voll umgestellt habe. Vor 30 Jahren nicht, das war damals halt einfach nicht möglich. Inzwischen ich sage zu mir selbst: Alles zur rechten Zeit.

Sie haben auch Weine mit Musikbegleitung reifen lassen. War das ein Marketing-Gag oder gibt es da auch Ergebnisse?
Nein, das ist kein Marketing. Wir hatten Mitte der 90er Jahre ein Art Projekt, um ortsbezogene Kunst zu schaffen. Da hatten wir einen Künstler eingeladen, mit dem wir sehr schöne Tage verbracht und viel diskutiert haben. Eben auch über Musik, die in seinem Schaffen eine wichtige Rolle spielt, aber auch für mich und meine Frau eine bedeutende Rolle einnimmt. Und dabei hatten wir auch über den Einfluss, den die Musik auf uns hat, gesprochen. Musik hat nachweislich Einfluss bei Kühen auf deren Milchproduktion. Warum sollte das nicht auch beim Wein so sein? So ist der Vorschlag und auch das Kunstwerk entstanden. Für mich war das neu. Ich habe mich dann mehr für das Thema interessiert und hatte auch mit Massaro Emoto Kontakt aufgenommen, einem japanischen Wissenschaftler. Der hatte Wasser mit unterschiedlicher Musik beschallt und festgestellt, dass beim Auftauen gefrorenen Wassers die Kristalle unterschiedliche Strukturen hatten. Gleichmäßige, wunderschöne, sternförmige Kritikstalle bei Musik von Beethoven, Bach oder der heiligen, japanischen Musik und eher komische Klumpen bei Heavy Metal. Das hat mich sehr interessiert. Er war auch hier bei uns im Weingut, aber es war sehr schwierig, sich zu verständigen. Wir wollen feststellen, welche Musik für welche Weine besser ist. Jetzt spielen wir für alle Weine im Keller Bach, das 6. Brandenburgische Konzert, aber verlangsamt.  Es wäre schön, sich mit dem Thema noch einmal tiefer zu beschäftigen, aber dazu ist es bisher leider nicht gekommen.

Haben Sie eine Blindprobe gemacht, um herauszufinden, ob die musikbeschallten Weine wirklich anders schmecken?
Wir haben es schon versucht, aber es ist halt sehr relativ. Wir haben die Musik abgespielt in Kellern, wo wir kleine Holzfässer haben. Nach einiger Zeit entwickelt jeder Wein sein Eigenleben und schmeckt unterschiedlich. Es ist schwer, den exakten Vergleich zu machen oder Unterschiede festzustellen. Ich muss auch sagen, dass ich nicht glaube, dass die Unterschiede riesig sein würden. Ich würde eher sagen, dass es kleine Details sind. Mein Credo ist: Wenn ich jedes einzelne Detail berücksichtige und versuche, das Beste daraus zu machen, dann bin ich imstande, einen großen Wein zu machen.

Welche Auswirkungen hat der Klimawandel auf den Weinbau in Südtirol?
Ich habe in den 80er Jahren begonnen, mich mit dem Klima auseinanderzusetzen, wo wir noch keine Unterschiede gemerkt haben. In der Zwischenzeit haben wir allgemein in der Landwirtschaft und im Weinbau wirklich große Unterschiede wahrgenommen. Einmal ist das die Erhöhung der Temperatur, vor allem aber viel krassere Witterungsbedingungen. Wir hatten extreme Hitzeperioden oder Kälteperioden oder Feuchtigkeitsperioden oder Trockenheit. Insgesamt haben die Extremsituationen zugenommen. Bei den höheren Temperaturen gedeihen heute bei uns Rebsorten gut, die früher Schwierigkeiten hatten. Ich habe schon in den 80er Jahren begonnen, Rebsorten aus heißen Weinbaugebieten hier bei uns zu pflanzen. Weil ich mich damals mit dem möglichen Klimawandel, von ich gehört und immer wieder gelesen hatte, beschäftigt habe. Da habe ich mir gedacht: Wenn es wirklich heißer wird, dann brauchen wir andere Rebsorten

Welche Rebsorten sind das zum Beispiel?
Bei den weißen Sorten Viognier oder Petit Manseng haben wir tolle Ergebnisse.  Wo wir uns ein bisschen schwer tun, ihn zur Reife zu bringen ist, ist Assyrtiko. Bei den Roten haben wir tolle Erfahrungen mit Tannat gemacht.

Welche Trends im Weinbau sehen Sie generell?
Einerseits sehe ich einen Trend hin zum umweltfreundlichen Weinbau. Da ist vor allem der Konsument, der immer mehr gesunde, natürliche Lebensmittel sucht. Ich sehe das auch bei unseren Partnern, da versuchen wir auch, die für diesen biologisch-dynamischen Weg zu motivieren. Und es ist interessant zu sehen, dass ein Bauer, der jahrelang Chemie gespritzt hat, bereit ist, in seinem Betrieb diesen Weg zu gehen. Deswegen ist der Konsument so wichtig, um die Bauern sozusagen zu ihrem Glück zu zwingen. Das ist ein positiver Trend. Negativ ist, nicht nur im Weinbau, der Trend zu der Vermassung, zur Standardisierung, zu noch weiterer Rationalisierung in der Arbeit. Gerade der Südtiroler Obstbau ist eine reine Industrie geworden, die wenig mit Landwirtschaft zu tun hat. Das ist auch so ein Trend, immer unselbstständiger werden. Der Bauer war immer schon ein freier Mensch, schon im Mittelalter. Aber heute ist das nicht mehr so, weil er immer abhängig ist von den großen Industrien.

Woher kommt Ihre Liebe zum Wein?
Die ist mir sicher in die Wiege gelegt worden. Ich bin jetzt die fünfte Generation in der Familie, der sich mit Wein beschäftigt.

Welcher Wein wird geöffnet, wenn Sie nach Hause kommen?
Eher Rotwein. Da trinken wir in der Regel Wein von anderen Winzern, weil es immer spannend und wichtig ist zu sehen, wie die anderen Winzer ihre Weine keltern und ausbauen.

Mit  anderen meinen Sie Südtirol oder wird der Bogen weiter gespannt?
Ja, sicher weltweit, aber der Schwerpunkt ist schon Europa. Ich bin kein Freund der Weine aus der Neuen Welt, Fruchtbomben und megalaktisch. Das sind Weine, denen fehlt einfach die Seele. Da trinkt man vielleicht nach dem ersten Schluck noch ein Glas oder zwei, aber der verlangt nicht nach mehr und man hat da irgendwie keine große Freude dran. Weine sollten Eleganz haben und auch nicht zu viel Alkohol, das findet man halt eher in Europa. Meine Lieblingssorte ist der Pinot Noir.

Was wird an Festtagen entkorkt, Weihnachten zu Beispiel?
Da entkorken wir gerne alte Jahrgänge. Ich habe viele Weine in den 80er und 90er Jahren gekauft, die waren doch damals unglaublich günstig. Da hat man fast ein schlechtes Gewissen beim öffnen, wenn man weiß, dass die heute 3000 oder 4000  Euro kosten würden und damals hat man sie für wenige Lire gekauft.

Also im Idealfall ein schöner Burgunder?
Genau, oder auch ein schöner Bordeaux. Damals, in den 80er Jahren, waren das herrliche Weine, langlebig und mit viel Finesse und Eleganz, fast schon wie die Burgunder. Heute ist das leider nicht mehr der Fall.

Ihr Persönlicher Lieblingswein?
So einen richtigen Lieblingswein habe ich nicht. Aber wenn ich mich auf einen festlegen sollte, dann würde es auf jeden Fall ein Pinot Noir sein.

Die Gretchenfrage: Kork, Glas oder Schraubverschluss?
Mir ist alles recht, Hauptsache der Wein ist gut. Man muss bei Kork ein bisschen vorsichtig sein. Der Fall ist ja selten, dass man einen richtigen Korkgeruch hat, den man ja merkt. Aber die Gefahr sind diese versteckten Korkfehler, wo man den Korkfehler nicht wahrnehmen kann, die aber den Wein trotzdem entartet haben. Das ist sehr schade, deshalb muss man schon offen sein für andere Verschlüsse. Glas ist immer schön und prestigeträchtig, aber meines Wissens nicht so technisch ausgereift. Und es ist ja auch nicht mal Glas, das ist ja meist ein Kunststoff, der nach Glas ausschaut. Deshalb kommt für uns als biologisch-dynamischer Weinbau nur Kork in Frage, weil es der einzige natürliche Verschluss ist. Der Schraubverschluss hat seine Berechtigung für Weine, die sehr jung getrunken werden. Er ist auch sehr praktisch. Wenn ich für mich einen Wein mit heim nehme, dann nehme ich immer den mit Schraubverschluss. Man trinkt die halbe Flasche, schraubt zu und stellt sie und den Eiskasten, das ist einfach praktisch. Man sollte sich generell nicht verschließen und bei Bedarf das eine oder andere verwenden.

Gibt es den idealen Wein?
Nein, den gibt es eigentlich nicht. Ich habe vor kurzem versucht, mit meinem Sohn das ideale Weingut zu skizzieren, aber die Realität ist immer anders. So sollte es auch sein. Kein Wein sollte allen Kriterien gerecht werden, dann wäre es ja auch wieder fast langweilig. Einmal hatten wir die Ehre, mit Prinz Charles und seiner jetzigen Frau Camilla zu dinieren. Damals hatten wir einen Lagrein präsentiert. Der hat auch so seine Kanten und Ecken, aber das ist doch das, was dem Wein so seinen Charme und Charakter gibt

Mit wem würden Sie gerne mal ein Glas Wein trinken?
Mit Barack Obama.


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