Foto: Claudia Hübschmann

Georg Prinz zur Lippe (Jahrgang 1957) führt das Weingut Schloss Proschwitz, das älteste und mit aktuell knapp 90 Hektar Rebfläche auch größte Weingut Sachsens. Schloss Proschwitz war unlängst auch Ziel eines Winzerbesuchs.

Was ist das Besondere am Wein?
Die unheimliche Komplexität, zwischen Natur, ein klein bisschen Wissenschaft, enormen Genuss und Bodenständigkeit. Für mich ist Wein das komplexeste Thema, das ich mir vorstellen kann. Ich verfolge zwei Ziele. Erste Ziel: Im Weingut ordentliche Qualitäten. Zweites Ziel: Selbst auch ordentlich genießen.

Ihr Favorit für den Alltag?
Nicht nur die eigenen Weine, sondern auch viele Weine von Kollegen. Die Vorlieben wechseln. Im Moment trinke sehr gerne verschiedene Rieslinge. Davor hatte ich eine Phase, in der ich nur Grauburgunder probiert habe. Und im Winter gab es mehrere Rotwein-Phasen, da waren einige sehr gut St. Emilion dabei. Mit Freunden macht es  natürlich am meisten Spaß.

Was wird bei einem besonderen Anlass geöffnet, Hochzeitstag zum Beispiel?
Am Hochzeitstag immer das, was meine Frau sich wünscht. Sie ist ein großer Rosé-Fan, dann gibt’s meist einen schönen Rosé-Sekt. Und danach gehen wir schön essen und da hängt es vom Essen ab, was getrunken wird. Aber da bin ich kein Dogmatiker, dazu geht nur Rot und dazu nur Weiß oder so. Wir Menschen haben doch die tolle Fähigkeit zu entscheiden: Tut mir der Wein gut oder tut er mir nicht gut.

Wo werden Sie bei Blick überm Gartenzaun schwach?
Beim Riesling. Da gibt es unglaubliche Variationen, ich schwanke zwischen Mosel und Rheingau. An der Mosel liebe ich auch die restsüßen Weine, im Rheingau liebe ich die eindrucksvollen klaren Rieslinge. In Walluf zum Beispiel hatte ich jüngst von einem Winzerkollegen, Hans-Josef Becker, einen Riesling probiert, der hat mir unglaublich viel Freude gemacht.

Gibt es den idealen Wein?
Nein, den gibt es nicht. Da müsste es auch ideale Menschen geben und die gibt’s ja auch nicht. Ein 100-Punkte-Wein wäre ideal. Aber Ich halte nichts von der Bepunktung, wo Menschen sich herausnehmen, den Geschmack von anderen Leuten dominieren zu wollen. Das finde ich bis zu einem gewissen Grad respektlos. Ich muss jedem Wein meinem Respekt zollen. Es geht darum, den Wein als Persönlichkeit wahrzunehmen, wie bei Menschen.

Wie beim Menschen?
Ja. Sie haben Menschen, mit denen können sie sich unglaublich gut über Autos unterhalten, mit anderen über Wein, mit anderen über Wissenschaft oder über Politik. Aber jeder für sich hat einen tolle Persönlichkeit. So ist es auch bei Weinen. Mein Ziel sind ausdrucksvolle Weine. Die müssen nicht jedem schmecken. Jeder muss für sich herausfinden, was ihm gut tut.

Gretchenfrage: Schraubverschluss, Kork oder Glas?
Darüber haben wir lange getüftelt. Aktuell haben wir Kork und Schraubverschluss. Kork verwenden wir bei den Spätlese-Qualitäten. Wo wir denken, der Wein kann noch zehn Jahre liegen und wird von Jahr zu Jahr besser. Bei einem Wein, der relativ schnell getrunken wird, die Gutsweine zum Beispiel, da ist sicherlich der Schraubverschluss das beste. Auf einen Gutswein kann ich keinen Kork stecken, der einen Euro Kostet. Würde ich billigen Kork nutzen, gibt es fünf Prozent Wahrscheinlichkeit, dass der Wein nach Kork schmeckt. Und der Glasverschluss ist ja genau genommen gar kein Glas, der hat einen Silikonring. Ich habe da Bedenken, dass Rückstände in den Wein kommen können.

Haben Sie so etwas wie eine Betriebs-Philosophie?
Wein soll Persönlichkeit sein. Wein reflektiert den Boden, die Disposition des Kleinklimas. Das sind schon zwei Fixierungen. Wenn ich die akzeptiere, kann ich diese Individualität fördern. Wenn ich sie nicht akzeptiere, dann habe ich verloren. Viele steigen in den Weinbau ein und sagen: Ich mache jetzt einen 100-Punkte-Wein von der und der Lage. Völliger Quatsch. Du musst deine Lage verstehen, das Potenzial deiner Lage verstehen und das entwickeln. Nichts anderes ist von Bedeutung.


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