Martin Schwarz stammt zwar aus Kassel, lebt aber seit 1996 in Sachsen. Bekannt wurde er als Kellermeister im Weingut Schloss Proschwitz. Seit 2003 (zunächst im Nebenerwerb, seit 2013 im Haupterwerb) produziert er mit seiner Lebensgefährtin Grit Geißler auf knapp 6 Hektar Steillagen entlang der sächsischen Weinstraße eigene Weine. Und das mit großem Erfolg. Seit kurzem ist Martin Schwarz Mitglied im Verband Deutscher Prädikatsweingüter (VDP). 

War die VDP-Mitgliedschaft schon immer Ihr Ziel?
Es war vielleicht zeitweise ein Wunsch, denn der VDP ist natürlich die Königsklasse. Wenn man Mitglied im VDP ist, dann ist das eine große Ehre und Auszeichnung für Leistungen, die man schon erbracht hat. Sonst kommt man ja gar nicht in den VDP rein. Zeitweise hab ich aber gar nicht mehr mit dem Gedanken gespielt, dort Mitglied zu werden. Weil wir hier sehr klein sind. Durch die lange nebenberufliche Tätigkeit kam das auch nicht unbedingt für uns in Frage. Erst nachdem wir uns selbstständig gemacht und das eigene Weingut aufgebaut haben, kam dann auch mal hin und wieder der Gedanke. 

Was bedeutet die Mitgliedschaft außer mehr Bekanntheit und mehr Touristen?
Für uns bedeutet das Anerkennung und in einer Riege mitspielen zu dürfen, in der hochprofessionelle Winzer arbeiten. Winzer, die auch schon oftmals seit mehreren Generationen ihre Betriebe führen. Was für uns ein Ansporn ist, sich weiterhin anzustrengen und zu verbessern, um da mithalten zu können.

Sie stammen aus Kassel, das nicht unbedingt für Weinbau bekannt ist. Wie sind Sie zum Wein gekommen?
Über Umwege.  Als Jugendlicher habe ich auf einer Parkbank in Kassel mit einem Freund einen 1975er Chateau Margaux getrunken. Der Wein hat mich gepackt. Trotzdem habe ich erst einmal in Kassel Elektrotechnik studiert. Kurz vor dem Diplom habe ich das Studium aber abgebrochen. Der Wein hat mich nicht losgelassen, deshalb dann die Umorientierung: Studium an der Fachhochschule für Weinbau in Geisenheim. Im Gegensatz zur Elektrotechnik hat mir das Spaß gemacht. Schon das vorbereitende Praktikum beim Weingut Dr. Heger am Kaiserstuhl war großartig. 1996 habe ich dann das Studium in Geisenheim als Weinbauingenieur abgeschlossen. Dann ging es sofort, auf Vermittlung von Joachim Heger, nach Sachsen zum Weingut Schloss Proschwitz. Ich wollte drei Jahre bleiben, 17 Jahre sind es geworden…

Was ist für sie ein guter Wein?
Reden wir über einen guten Wein oder einen Spitzenwein?

Okay, dann Spitzenweine.
Ein Spitzenwein, ein wirklich besonderer Wein, sollte ein Wein sein, der ein eigenständiges Profil hat. Der sich von den guten anderen Weinen  abhebt. Das kann auf vielerlei Weise geschehen, letztendlich ist mit diesem Wein immer eine Geschichte verbunden. Das ist eine ganz wichtige Sache: Wo kommt der Wein her? Mit welchem Anspruch, mit welcher Philosophie wird der Wein hergestellt? Da er auch individuell und profiliert sein soll, ist damit auch verbunden, was für einen Charakter der Wein hat und damit auch sein Macher. Denn das bringt Wein alles mit sich: Unterschiedliche Regionen und unterschiedliche Geschichten der Winzer und der Familien, die dahinter stehen. Nicht zuletzt muss sich der Wein auch sensorisch abheben und begeistern können. Ich kann das von vornherein gar nicht definieren. Sondern umgekehrt, der Wein erzählt mir die Geschichte und damit auch, ob er ein großer Wein ist oder ein guter oder ein sehr guter. 

Erinnern Sie sich an den ersten Wein, den Sie getrunken haben?
Den allerersten kann ich nicht sagen, es wird wahrscheinlich ein Rheingauer Riesling oder einer von der Mosel gewesen sein. Mein Vater hatte eine Vorliebe für Weine aus dem Rheingau und von Mosel-Saar-Ruwer. Er hatte selbst einen Weinkeller mit wirklich anständigen, vielleicht nicht unbedingt großen Weinen aus den Steillagen. Da habe ich mitprobiert.

Der eine, unvergessliche…
Natürlich der Chateau Margaux 1975, von dem schon die Rede war. Da bin ich noch zur Schule gegangen, 1982 oder 1983 muss das gewesen sein. Den Wein haben wir im Kaufhof entdeckt und mussten den unbedingt probieren. 80 DM war natürlich ein Wahnsinns-Geld damals. Aber ich hatte zum Glück einen Freund, der die Begeisterung geteilt hat, und so konnten wir uns das auch finanziell teilen. 

Wie würden Sie Weine aus Sachsen, Weine von Martin Schwarz beschreiben?
Ein vielleicht schon abgedrehtes Wort ist Terroir. Aber ich finde es nach wie vor eine sehr schöne Bezeichnung. Terroir ist für mich etwas, was die Umgebung, wo der Wein wächst, erfasst und beschreibt. Wir arbeiten als Winzer viel mit der Hand und stehen viel im Weinberg. Wir greifen oft in den Boden und an die Pflanzen. Wenn ich da stehe und den Weinstöcke pflege, dann habe ich schon so einen leichten Geschmack, wie der Wein vielleicht werden könnte. Zumindest ist das eine Ahnung. Ob es dann so kommt, da lass ich mich überraschen. Aber diese einzigartige Herkunft ist für mich sehr wichtig. Natürlich spielt auch der Ausbau im Keller immer eine wichtige Rolle. Es gibt ja auch Philosophien wie das Nichtstun  oder kontrolliertes Nichtstun und so weiter. Ich verstehe das und halte es auch für richtig. Aber ganz ohne etwas zu tun geht einfach nicht. Was ich nicht mag ist, mit irgendwelchem Schnickschnack oder Hilfsmitteln zu versuchen, das Lesegut zu verbessern, wenn es nicht perfekt ist. Wir streben an, aus dem Weinberg wirklich perfektes Lesegut in den Keller zu holen. Dort braucht man auch nicht mehr viel tun. 

Sie arbeiten viel mit Holz.
Ich arbeite gerne mit Holz, Holzausbau charakterisiert auch unsere Weine. Aber bitte nicht missverstehen, wir traktierten die nicht zu stark mit Holz. Das Holz ist nur das Ausbaubehältnis. Es gibt uns den Vorteil, dass wir den Wein sehr lange auf der Hefe liegenlassen können. Das halte ich für wichtig, um den Weine eine Struktur zu geben und die Entwicklung zu optimieren. Im Edelstahlbehälter ist das in dieser Art nicht möglich. 

Sie sind bald 30 Jahren im Geschäft. Wie hat sich die Weinwelt in dieser Zeit verändert?
Ich denke, dass riesengroße Veränderungen gar nicht stattgefunden haben. Auf der anderen Seite hört man von neuen Wellen und neuen Winzern. Das hat es zu meiner Zeit auch schon gegeben, da gab es auch die Wilden und die Jungwinzer oder die Barolo-Boys und so weiter. Also immer wieder einzelne Bewegungen, die das anders machen als die Großväter. Natürlich hat es immer Veränderungen gegeben. Auf der anderen Seite sind bei Winzern, die mit wenig fremden Hilfsmitteln arbeiten, gar nicht so große Veränderungen passiert. Man besinnt sich teilweise auch wieder auf alte Methoden zurück. Der georgische Ausbau in Amphoren zum Beispiel. Oder im Betonei, was jetzt modern ist, das gab es schon lange. Solche Sachen wird es immer wieder geben. Das sind aber auch manchmal pauschale Wörter, die neugierig machen sollen und oft auch als Marketing-Mittel verwendet werden. Es ist natürlich trotzdem toll, wenn man Augen und Ohren offenhält und schaut, wie in den verschiedensten Regionen was gemacht wird.  Ich experimentiere selbst auch gern und probiere was aus.  

Welche Trends sehen Sie in den nächsten Jahren?
Die Naturwein-Geschichte wird sich verstärken in dem Sinne, dass man versucht, weniger stark einzugreifen, vor allem was die Chemie betrifft. Die Bio-Geschichte wird noch viel stärker kommen und zu einer Selbstverständlichkeit werden. Naturnaher Ausbau auch. Für mich ganz wichtig ist die Düngung. Also nicht mehr mit Blaukorn und synthetisch hergestelltem Stickstoff, sondern die Reben wieder natürlich versorgen. Damit sie ihre Natürlichkeit bewahren und widerstandsfähig sind gegen Krankheiten.

Was ist mit dem Klimawandel, braucht es neue Rebsorten in Sachsen?
Der Klimawandel ist natürlich ein ganz starkes Thema. Wir haben starkes Wasserdefizit. Darauf können wir nur reagieren, in dem wir die Sorten anpassen und die entsprechenden Weinberge suchen, die geeignet sind. 

Kork-, Glas oder und Schraubverschluss?
Eigentlich liebe ich den Kork als traditionellen Verschluss und würde am liebsten nur Korken einsetzen. Aber bekanntlich hat der Korken den Nachteil, dass er manchmal Korker produziert. Das ist sehr schade, wenn man einen tollen Wein hat, der lange gelagert ist und der dann einen Fehler hat. Also: Die hochwertige Rotweine verschließe ich weiter mit Kork, Weißweine und einfache Rotweine mit Schraubverschluss. 

Was trinken Sie am Abend nach getaner Arbeit?
Wir trinken ab und an unsere eigenen Weine. Vor allem, wenn nach einer Weinprobe noch was offen ist. Aber wir trinken sehr gerne auch Weine aus anderen Regionen. Einfach um zu sehen, wie andere arbeiten, wie groß die Unterscheide sind. Außerdem macht die Abwechslung auch Spaß. Wein ist eben wahnsinnig vielfältig. In der Regel kosten die Weine, die wir alltäglich trinken, ab 15 Euro. Ein gewisses Minimum ist einfach notwendig. Für die Arbeit für die  besonderen Weine. Wir wissen es selbst nur zu gut, wie groß der Aufwand ist. Die Weine kann man nicht für unter 10 Euro herstellen, das geht nicht. 

Was wird bei einem besonderen Anlass entkorkt?
Chateau Margaux kann ich mir leider nicht mehr leisten. Aber es gibt in der Kategorie zwischen 50 und 100 Euro eine große Auswahl an fantastischen Weinen. Wenn man Glück hat auch noch unter 50 Euro. 

Mit wem würden Sie gerne mal ein Glas Wein trinken?
Gute Frage. Da fallen mir viele ein, ich will niemanden hervorheben. Ich trinke gern Weine mit Freunden, mit denen man sich auch über diese Weine unterhalten kann. Das ist für mich als Fachmann wichtig. Es macht mir wahnsinnig Spaß, über die Weine zu diskutieren. 

Gibt es den perfekten Wein?
Nein. Ich verwehre mich generell gegen Rankings, wo entschieden wird, das ist Platz 1, 2 oder 3. Das wird dem Wein nie gerecht. Denn die Geschmäcker und Empfindungen sind sehr unterschiedlich. Und ein Wein hat ja auch selbst ein Leben und verändert sich ständig. Es gibt Weine, die sind für frühes trinken gemacht. Andere müssen sehr lange reifen, bevor man die mit Hochgenuss trinken kann. Dazwischen hat der Wein auch viele Phasen. Auch der Mensch, der ihn trinkt, hat seine Phasen und Stimmungen. Ich merke ich an mir selbst: an einem Tag bereitet mit der Wein Hochgenuss, an einem anderen Tag hab ich keine Lust drauf und möchte lieber was anderes trinken. Das ist sehr stimmunsgabhängig. Das alles lässt gar nicht zu, dass es den perfekten Wein gibt.  


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