Die AOC Gigondas feiert 50. Geburtstag – da feiern wir gerne mit! 19 Winzer sind anlässlich des 50-jährigen Jubiläums mit mehr als 60 Weinen nach Köln gekommen um sich und die Appellation Gigondas zu repräsentieren. Konnte mir das nicht entgehen lassen, denn ich habe eine sentimentale Bindung zu den Weinen aus Gigondas. 

Das Aha-Erlebnis

Bei meiner ersten Visite im 500 Einwohner-Städtchen Gigondas in der südlichen  Rhône 2002  gab es ein Aha-Erlebnis. Besuch im Caveau du Gigondas mitten im Ort. Frage der charmanten Angestellten: „Was wollen sie probieren?“ Ich: „Was sollte ich denn probieren?“ Sie stellt zehn  Gläser hin und gießt Weine von zehn verschiedenen Erzeugern (alle Jahrgang 2000) ein. Ein fantastisches Tasting! Das waren zehn völlig verschiedene Weine mit ganz unterschiedlichen Charakteren – alles ein Jahrgang. Mich haben die Gigondas-Weine seinerzeit mehr beeindruckt als die berühmteren (und viel teureren) Nachbarn aus Châteauneuf-du-Pape. Also Kofferraum vollgepackt. Fortan war bei fast jedem Frankreich-Besuch ein Abstecher nach Gigondas Pflicht, zuletzt 2017. Nun also kamen die Winzer aus Gigondas nach Deutschland. Eine feine Gelegenheit zum Wiedersehen und zum Probieren des aktuellen Jahrgangs 2019. Und nicht nur den. 

Der Platzhirsch

Mehr als 60 Weine, 19 Winzer – ein straffes Programm. Es ist alles dabei, vom Blockbuster mit reichlich Tanninen und Alkohol bis zu charmanten Softies. Viele Persönlichkeiten im Glas!
Zuerst muss Château de Saint Cosme erwähnt werden, einer der berühmtesten Namen des Gebiets, seit 1490 im Besitz der Familie und seitdem 15 Generationen von Weinbauern. Der Gigondas Château de Saint Cosme 2019 ist ein Klassiker, die beiden Lagen-Weine Château de Saint Cosme Hominis Fides 2019 und Château de Saint Cosme Le Poste 2019 haben noch eins draufgesetzt. Das setzt zum Beginn des Tastings Maßstäbe.
Das Bio-zertifizierte  Moulin de la Gardette hat seine Cuvée Tradition von 2019 und 2018 mitgebracht, ausgebaut im  großen Holzfass. Dabei dominiert Frucht in der 2018er Ausgabe deutlicher als in 2019. Beide leicht trinkbar. Eine Cuvée aus Grenache und Mourvedre ganz ohne Syrah präsentiert Domaine la Bouissiere mit dem Gigondas La Font De Tonin, 100% in Barriques ausgebaut. Da lässt jemand Muskeln spielen.

Beton ist angesagt 

Unbedingt erwähnenswert Domaine de la Tourade. Die Weine sind nach traditionellen Methoden in Beton-Bottichen gereift. Klasse der Gigondas 2019 mit 80% Grenache, in Nase und Gaumen Nadelwald pur.  Stilistisch ähnlich der 2019er Gigondas von Domaine de Piaugier. Auch Pierre Amadieu setzt auf Betontanks. Sein 2017er Gigondas Le Pas d l’Aigle (90% Grenache, 10% Syrah) lag mehr als 3 Jahre im Beton, wurde erst vor wenigen Wochen abgefüllt. Erstaunlich frisch und fruchtig, auf jeden Fall extrem spannend. Die Rebflächen liegen in 400 Metern Höhe. Aber es muss nicht immer Beton sein. Ogier setzt weiter auf Holz. Der Gigondas Ogier Les Dentelles 2019 hat so viel Frucht wie Power. Kein Wunder, 10% lagen in neuen Barriques, der Rest in gebrauchten.  Es gibt davon nur 5000 Flaschen.

Ein guter Bekannter 

Schließlich ein guter Bekannter, Domaine Raspail-Ay. Deren Weine sind seit Jahren in meinem Keller präsent. Kellermeister Christophe Ay war trotz schwerer Verletzung vor Ort und präsentierte die beiden letzten Jahrgänge. Sowohl der 2018er als auch der 2019er Gigondas Raspail-Ay enttäuschen nicht.  Kraftvolle, gut strukturierte Weine bar jeder Übertreibung – sie waren meine persönlichen  Tagessieger.
Originell der Gigondas Clos Derrière Vieille 2019 von der Domaine Santa Duc. Ein Teil der Cuvée (Grenache, Mourvèdre, Syrah) ist im Holzfuder, ein Teil in der Amphore ausgebaut. Der Wein hat eine extreme Intensität und  Dichte. Ähnliches Kaliber der 2020er (!) Gigondas von der Domaine Francois Xavier Lambert, ein wahrer Muskelprotz. Ganz anders der Gigondas 2019 von der Domaine du Pesquier, da fallen Frische und Mineralität auf.  

Da wären noch weitere schöne Topfen zu erwähnen, doch irgendwann muss Schluss sein. Schon  der kleine Streifzug zeigt, welche Vielfalt das doch recht kleine Gebiet bietet.
Das war freilich nicht immer so.

Der lange Kampf 

Lange Zeit galten die Weine aus Gigondas als „Châteauneuf-du-Pape für Arme“. Kein Wunder, denn die benachbarten Châteauneuf-Winzer bekamen bereits im Jahr 1923 den Status einer eigenen Appellation, da war in Gigondas noch Mischsatz und Masse üblich. Die heftigen Fröste 1956 , die die Reben im Gigondas fast komplett vernichtet hatten, führten zu einer Trendwende. Die Weinbauern rekultivierten ihre Weingärten. Jetzt nicht mehr im Mischsatz, sondern Rebsorten-spezifisch. Gleichzeitig wurde der Ertrag reduziert (heute maximal 35 Hektolitern pro Hektar) und die Keller modernisiert. Die Qualitätsoffensive half: 1971 bekam Gigondas den Status einer eigenständige Appellation.  Das ist nun 50 Jahre her – und das wird auch noch 2022 mit einigen Events gefeiert.

Gigondas heute 

Aktuell beträgt die Rebfläche der AOC Gigondas 1220 Hektar, 205 Winzer sind aktiv.  Es herrscht mediterranes Klima mit viel Wind (der Mistral) und viel Sonne (2800 Sonnenstunden im Jahr). In den Sommern ist die Hitze groß. Die schroffe Wand der nahen Dentelles de Montmirail beeinflusst das Klima stark. Kalkstein dominiert die Böden. Grenache ist die Hauptrebsorte, die bringt Tannine und Körper und muss! in jeder Cuvée vertreten sein. Mit Abstand folgen Syrah sowie Mourvedre, Sorten wie Cinsault, Clairette etc. ergänzen das Spektrum. Weißwein gibt es gar nicht, Rosé spielt kaum eine Rolle. Generell wird nicht bewässert. 

Zukunft in Gigondas?

Louis Barroul – der Chef von Château de Saint Cosme ist auch Präsident des Winzerverbandes Gigondas – stellt fest, dass Bio-Weinbau immer wichtiger wird. Monsieur Barroul sagt aber auch: „Wir können nicht alles per Hand machen und auch nicht alles mit dem Pferd.“ Der Ausbau in Beton wird immer populärer. Gerne würde man die Klassifizierungen 1er Cru und Grand Cru  – wie im Burgund – einführen. „Das sollten wir machen, aber das ist ein langer Prozess und erfordert viel diplomatisches Geschick.“ Der Klimawandel? „Wir müssen viele kleine Dinge kombinieren und möglicherweise auch andere Rebsorten in Erwägung ziehen.“ Noch eine interessante These von Louis Barroul, der kein  Freund des Dekantierens ist. „Das macht nur wer keine Zeit hat. Schnelle Oxidation ist bei Wein keine gute Idee. Wein  hat immer mit Zeit zu tun.“  

 

 


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