Wein aus Usbekistan? Wann immer der Satz in den letzten Tagen fiel, erntete ich darauf entweder ungläubiges Staunen, Kopfschütteln oder fragendes Schulterzucken. Wein aus Usbekistan hat es hierzulande noch nicht in den Markt geschafft. Mir ist jedenfalls kein Händler bekannt, der Wein aus Usbekistan im Sortiment hat. Zu knapp, zu exotisch, zu schlecht? Habe mir vor Ort ein eigenes Bild machen können und war zumindest überrascht. 

Glorreiche Vergangenheit 

Zunächst etwas Recherche, wie es um den Weinbau in Mittelasien steht. Keine große Überraschung: Usbekistan hat eine uralte Weinbaukultur. Im Ferghana-Tal wurden schon im 6. Jahrhundert v. Chr. Weintrauben angebaut. Und zwar großflächig. Gegen Ende des 7. Jahrhunderts n. Chr. eroberten die Araber das Land und der blühende Weinbau wurde durch das religiös begründete Alkoholverbot stark reduziert. Das kennen wir ja auch aus anderen Ländern, Iran etwa, oder Syrien. 

Weinbau heute

War die kurze Geschichtslektion keine Überraschung, ist es bei den Fakten zur aktuellen Lage anders. 2022 umfassten die Weinberge in Usbekistan satte 121.564 Hektar Rebfläche. Das ist mehr als Deutschland (2023 = 103.000 Hektar)! Und das in einem mehrheitlich muslimisch geprägtem Land. Doch die Produktion beträgt „nur“ 200.000 bis 300.000 Hektoliter jährlich (Deutschland 8 bis 10 Millionen Hektoliter). Was ist da los? 
Die Erklärung: Mehr als die Hälfte der Rebsorten (vor allem Kishmish = Sultana) wird für die Produktion von Tafeltrauben und Rosinen genutzt. Letztere sind ein wichtiges Exportgut des Landes. Dennoch bleiben genug Trauben für Still- und Schaumweine übrig. Die haben ihre Kunden im nicht-muslimischen Teil der Bevölkerung sowie den zahlreichen Touristen, die seit Aufhebung des Visa-Zwangs 2019 das Land in immer größerer Zahl besuchen. 

Keine Seltenheit: Weinfelder in Usbekistan – unterwegs fotografiert.

Spannende Rebsorten

Die wichtigsten Weinanbaugebiete liegen am Rande der Gebirge um Taschkent, im Ferghana-Becken und bei den Städten Buchara und Samarkand. Es herrscht kontinentales Klima mit heißen Sommern und sehr kalten Wintern vor.
Die wichtigsten Weißweinsorten sind Bakhtiori, Bayanshira, Bishty, Kuldzhinskii und Rkatsiteli. Auch Riesling! Und zwar ganz traditionell. Ins Land gekommen ist Riesling mit der russischen Eroberung Ende des 19. Jahrhunderts. Die wichtigsten Rotweinsorten sind Aleatico (kennen wir aus Süditalien), Khindogni, Morrastel (= Graciano), Pervomaisky und Saperavi, die große Rebe Georgiens.  
Der Verkauf von Wein in Usbekistan unterliegt einer staatlichen Regulierung, ist aber kein Problem. Es gibt zahlreiche Shops mit zum Teil großer Auswahl. Die Altersgrenze liegt bei 21 Jahren. In diesen Zeiten nicht selbstverständlich: die Regierung unterstützt die Entwicklung des Weinsektors durch Steuererleichterungen, Investitionsförderung und die Einrichtung eines Entwicklungsfonds. Ziel ist es, Usbekistan als Weinland international zu positionieren.

Wie schmeckt es denn?

Habe während meiner zweiwöchigen Tour durchs Land gute, einige spannende Weine getrunken bzw, probiert, aber auch Reinfälle erlebt. Treuer Begleiter war ein Chardonnay Bagizagan, der fast in  jedem Restaurant auf der Karte stand. Intensive Aromatik, etwas krautig, gut trinkbar, wenn auch nicht sofort als Chardonnay erkennbar. Am interessantesten waren für mich die Weine aus autochthonen Rebsorten, auch da gab es Besuch in Himmel und Hölle. Größere Weingüter kann man problemlos besuchen, die angebotenen Verkostungen lohnen sich. 

Im Weingut  Khovrenko

Das Weingut  Khovrenko in Samarkand ist eines der historisch bedeutendsten Weingüter Zentralasiens. Gegründet wurde es 1868 von Dmitry Filatov, einem russischen Winzer. Er baute die erste kommerzielle Weinproduktion in Samarkand auf. Nach der Revolution 1917 musste Filatov das Weingut verlassen, er versteckte große Mengen seiner Produktion. Sein Weinkeller wurde erst 100 Jahre später wiederentdeckt. Der russische Weinwissen­schaftler M. A. Khovrenko übernahm nach Filatov die Produktion und führte moderne Techniken und neue Sorten ein. Ihm verdankt das Weingut seinen heutigen Namen.

Der Riesling 2022 hat mit den Riesling-Charakteren aus  Deutschland oder Österreich nichts zu tun, schmeckt irgendwie krautig. Habe ihm das Prädikat originell verliehen. Der Wein unter dem Label  Usbekistan 2023 ist eine weiße Cuvée aus Rkatsiteli und Baiaushely. Trocken, mit Aromen von Honig, Kräutern, Rhabarber und Apfelschale. Ein feines Beispiel, was aus lokalen Sorten gedeihen kann. Da konnte der Rosé 2022 (von Cabernet Sauvignon) nicht mithalten, trocken zwar, aber langweilig. Der Rotwein Wine Garden 2022 ist ein Saperavi, rund, harmonisch, klassisch nach schwarzen Beeren und Kirschen. Gut, aber nicht ganz so aufregen wie Saperavi aus Georgien. Den Wine Garden gibt es auch in halbtrocken (Saperavi + Cabernet Sauvignon) mit 60 Gramm Restzucker, nichts für mich.

Anders der Kagor 2019, eine Cuvée aus Saperavi, Cabernet Sauvignon und Monastrel im Portwein-Stil. Muss den Vergleich zu einem Port nicht scheuen, auch wenn er im Abgang etwas flach wirkt. Finale mit dem Gulva Kandoz, ein Süßwein der Rebsorte Kishmish (die Leit-Rebsorte für Rosinen), 16% Alkohol, 220 Gramm Restzucker, satte 14 Jahre im Eichenholzfass gereift. Eine Rosinen-Walnuss-Bombe. Gewann 1976 Messegold im Leipzig. 

Im Weingut Shohrud 

Das Weingut JSC Shohrud ist eines der ältesten (gegründet 1936) und bedeutendsten Weingüter in Usbekistan. Praktischerweise hat es seine Zentrale in der Altstadt von Buchara. Dort kann auch probiert werden. Ein engagierter junger Mann erzählt stolz, dass jährlich 12. 000 Tonnen Trauben verarbeitet werden, davon etwa 5000 Tonnen aus eigenen Weinbergen. Produziert werden Wein, Wodka, Liköre und reichlich Cognac. Alles hochmodern. Fast 2 Millionen US-Dollar seien in den letzten 15 Jahren investiert worden, Experten aus Italien hätten geholfen. Export, hauptsächlich nach Russland, Kasachstan und Kirgisistan, spiele eine große Rolle. 

Jetzt aber zu den Weinen. Ungewöhnlich die Story des Rkatsiteli 2015, abgefüllt erst 2023. Hat acht Jahre im Eichenholz gelegen, extrem spannend, nur 10% Alkohol, überraschend zart. Ist was für Fans von autochthonen Abenteuern. Genau so interessant der Bayanshira 2005, voll oxidiert, fast ein Cognac. Golden Buchara 2024 nennt sich die Cuvée aus Riesling + Rkatsiteli + Bayanshira, halbtrocken, schon sehr süßlich, wenig Charakter, nicht mein Fall. Dann gibt’s eine Probe vom Tavkvari, die Flasche ohne Label. Trocken, unfiltriert, spontan vergoren, ein klasse Naturwein.

Bei den Roten sinkt die Begeisterung. Beim Saperavi 2005 ist die Rebsorte erkennbar, er ist aber längst nicht so ausdrucksstark wie die georgischen Vertreter. Der Zargaron 2006, ein Cabernet Sauvignon, ist zu alt, einfach müde. Eine Enttäuschung. Gilt auch für den Buchara 2022 (Saperavi + Cabernet Sauvignon + Pinot Noir), nur 11,5% Alkolhol. Notiert ist: Motoröl, Möbelpolitur, Kommodenlack. Finale mit dem Kagor, ein Dessertwein aus der klassischen süßen Sorte Kagor plus Khindogni, 190 Gramm Restzucker, 16% Alkohol. Trägt die Süße stolz vor sich her, hat aber neben Zucker auch Aromatik zu bieten. Erinnert an Mokkalikör. Kurios im Regal schließlich usbekischer Schaumwein mit dem Label Prosecco. Darf das so sein? Konnte leider nicht probieren…

Fazit: Wein aus Usbekistan kann eine extrem spannende Geschichte sein. Ist was für Neugierige, Experimentierfreudige, vor allem für Freunde autochthoner Sorten. Sicher keine Weltklasse, aber auch keine Langeweile. 


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