Mitten im Rheingau, wo normalerweise Riesling dominiert, setzt ein Weingut konsequent auf Chardonnay und Pinot Noir. Chat Sauvage verbindet burgundische Tradition mit Rheingauer Identität – ein Betrieb, der bewusst seinen eigenen Weg geht. Es gibt viele Gründe für einen Weingut-Besuch bei Chat Sauvage. 

Genießen und sammeln

Die Geschichte beginnt mit einem Hamburger Bauunternehmer, Günther Schulz. Er liebt Wein, vor allem die edlen Gewächse aus dem Burgund – bekanntlich keine günstige Leidenschaft. Bald blieb es nicht beim Trinken, er begann zu sammeln. Mit der Zeit wuchs eine beachtliche Kollektion: rund 30.000 Flaschen Burgunder und Bordeaux sollen es gewesen sein.
Doch irgendwann reifte der Gedanke: Warum nicht selbst Wein machen, nach eigenem Geschmack, im Stil seiner geliebten Burgunder?

Unternehmer erfüllt sich seinen Traum

Schulz verkaufte seinen Keller, plante zunächst Investitionen im Burgund. Doch daraus wurde nichts. Seine Tochter, die in Eltville lebte, stellte entscheidenden Kontakte her. So kaufte er im Rheingau Flächen in Rüdesheim, Assmannshausen und Lorch. Im Jahr 2000 gründete er das Weingut Chat Sauvage.
Was mit einem halben Hektar in der Lage Johannisberger Hölle begann, umfasst heute rund acht Hektar Rebfläche. 20 Prozent davon sind mit Chardonnay bestockt, der Rest mit, na klar, Pinot Noir.
Das ist schon bemerkenswert: ein Weingut mitten im Riesling-Kernland Rheingau, aber ohne eine einzige Riesling-Rebe. Stattdessen ausschließlich Burgundersorten. Genau, so was ähnliches hatten wir schon mal, unlängst bei Adams Wein in Rheinhessen. Auch dort – Burgunder pur.

Eine Schwäbin führt Chat Sauvage

Verena Schöttle

Zurück zu Chat Sauvage. Seit 2018 leitet Verena Schöttle das Weingut. Die gebürtige Tübingerin hat in Geisenheim studiert, führt Chat Sauvage mit viel Geschick und ist seit 2019 auch Mitinhaberin. „Wir haben keinen Riesling im Anbau, sind also eine Nische hier. Burgunder sind unsere Leidenschaft. Aber wir wollen Burgund nicht kopieren, sondern klar als Rheingau-Weingut auftreten“, sagt sie.
Stark selektiertes und zu hundert Prozent gesundes und ausgereiftes Lesegut sind selbstverständlich. Die Weine werden traditionell im kleinen Holzfass ausgebaut – der Chardonnay ein Jahr, die Pinots etwa zwei Jahre. Die Barriques stammen von einer Tonnellerie an der Loire. Auf die Flasche kommen die Wein unfiltriert.

Die Enkel geben den Namen

Bleibt die Frage nach dem ungewöhnlichen Weingutnamen. „Schulz sollte es nicht heißen, ein französischer Name wurde gesucht“, erzählt Verena Schöttle. „Chat Sauvage bedeutet ‚wilde Katze‘. Günther Schulz kam beim Spielen mit seinen Enkeln auf die Idee.“

Chardonnay – feiner Türöffner

Bei der Verkostung fällt zunächst der 2023 Rheingau Chardonnay auf, der Gutswein: ein Jahr im gebrauchten Holz gereift, frisch, elegant, ein idealer Einstieg.
Mehr Substanz bietet der Chardonnay Clos de Schulz. 50 Prozent reiften im neuen Holz, spontan vergoren, kraftvoll, salzig-mineralisch und mit 13,5 Prozent Alkohol ausgestattet. Die Trauben stammen aus einer kleinen Parzelle im Lorcher Bodental-Steinberg – eine Lage, die auch für die großen Pinots eine Schlüsselrolle spielt.

Pinot Noir – die große Leidenschaft

Die Rotweine sind das Herzstück von Chat Sauvage. Der 2021 Rheingau Pinot Noir als Gutswein vereint Trauben aus Lorch, Assmannshausen und Rüdesheim und reifte zwei Jahre im gebrauchten Barrique. Fruchtbetont, sanft und unkompliziert, ist er besonders für die Gastronomie gedacht.
Die Ortsweine aus Lorch zeigen ein kraftvolleres Gesicht: Der 2020 Pinot Noir Lorch Kapellenberg überzeugt mit intensiver Frucht, während der 2017er der selben Lage schlanker und kräuterwürziger wirkt. Beide sind zu jeweils rund und 30 % im neuen Holz gereift.  Ebenfalls elegant präsentiert sich der 2019 Pinot Noir Johannisberg Hölle: Auf Löss-Lehm gewachsen, rund und mit feiner Kirschfrucht, wirkt er etwas leichter als die Lorcher Weine.
Vom Rüdesheimer Drachenstein kommen zugängliche und gleichzeitig charaktervolle Weine. Der 2019er ist ein charmanter „easy drinking“-Wein von ungewöhnlicher Leichtigkeit, während der 2020er bereits mehr Tiefe zeigt, mit dunklen Beerenaromen und Cassis – liegt preislich über 50 Euro.

Flaggschiff ist ,Le Schulz’ 

Flaggschiff des Hauses ist Le Schulz. Aus einer spektakulären, amphitheaterartig angelegten Parzelle im Lorcher Steinberg stammend, vereint der Wein Power und Eleganz. Früher „Rouge de Schulz“ genannt, zeigt der 2017er eine sehr angehme, leichte, kirschige Fruchtigkeit, während der von 2020 deutlich aromatischer und konzentrierter wirkt, mit reichlich Extrakt. Auch hier wieder eine charmante Leichtigkeit. Noch immer jung, aber absolut vielversprechend. Le Schulz ist das Prestigegewächs von Chat Sauvage und kostet schon dreistellig. 

Fazit: Chat Sauvage ist ein Weingut, das bewusst gegen den Strom schwimmt – und gerade dadurch überzeugt. Mitten im Riesling-Land zeigt es, wie großartig Chardonnay und Pinot Noir im Rheingau gedeihen können. Präzise gearbeitet und klar im Stil entstehen hier Weine, die gleichermaßen Charakter und Eleganz besitzen. Wer Burgunder liebt, findet bei Chat Sauvage eine spannende Alternative – und eine wilde Katze, die längst gezähmt scheint, aber immer noch Krallen zeigt.


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