Die Wachau hat mich schon oft begeistert, zuletzt etwa bei einem Besuch im Weingut Jamek. Die Wein-Smaragde (und nicht nur die) an der Donau sind oft einfach Weltklasse. Mein Kollege Klaus Pfennig war kürzlich in der Wachau unterwegs:

In der Wachau wächst Wein auf gerade einmal 1.300 Hektar. Dennoch oder vielleicht gerade deswegen gilt der Landstrich an der Donau zwischen Melk und Krems als eine der besten Weißweinregionen Österreichs. Vielleicht sogar die beste überhaupt.
Krems und die Wachau
Man kann nicht alles verstehen auf dieser Welt, auch nicht in der Welt des Weins. Da ist Krems an der Donau das Tor zur Wachau, seit 25 Jahren Teil des Unesco Weltkulturerbes. Die Wachau ist Weinbauregion, vermutlich die bekannteste in ganz Österreich. In Krems und um Krems herum wächst so manches an Riesling und vor allem an Grünem Veltliner. Die aber dürfen sich nicht „Wein aus der Wachau“ nennen. Der nämlich, so wollen es die Regulatorien, wächst erst hinter der Gemarkungsgrenze bzw. jenseits der Donau. Krems und sein vom Wein geprägter Ortsteil Stein dagegen zählen zum Gebiet Kremstal.
Grüner Veltliner ist König
So weit, so gut. Aber schade für die Kremser, schließlich genießen Weißweine aus der Wachau weit über Österreich hinaus einen hervorragenden Ruf. Etwa auf der Hälfte des gut 35 Kilometer langen Donautals werden Reben angebaut, gerade auf der Nordseite auf teilweise extrem steilen Terrassenlagen. In Weinbergen, deren Höhen von 200 Meter über dem Meer bis hinauf auf 500 reichen, verschiedenste Expositionen, die Wärmeregulierung der Donau und der Einfluss kalter Fallwinde aus dem Norden führen zu höchst unterschiedlichen Mikroklimata und damit auch Weinen. Unbestrittener König im Weinberg ist der Grüne Veltliner, die autochthone Rebsorte Niederösterreichs schlechthin. In der Wachau wird sie oft kurz und knapp als GV bezeichnet. Etwa 1.300 Hektar Weinberge gibt es entlang der Donau, etwa so viel wie in den drei kleinsten deutschen Anbaugebieten zusammen. Auf mehr als der Hälfte der Rebfläche wächst der GV.

Steinfeder, Federspiel und Smaragd
Bei Touristen steht er in erster Linie für einen leichten, frischen Schoppenwein, wie er gerne in einer der zahlreichen Heurigenwirtschaften zur Vesper ausgeschenkt wird. Und zwar meistens als Achtel. Oft kommt er unter der geschützten Bezeichnung Steinfeder daher und bringt nicht mehr als 11,5 Prozent Alkohol auf die Waage. Der Begriff Steinfeder ist abgeleitet vom gleichnamigen, federleichten Gras, das oft die Weinberge in den Steillagen säumt.
Ein Prozentpunkt mehr Alkohol bringt die nächste Qualitätsstufe mit, das Federspiel. Mit einem Federspiel wurden früher die Falken von der Jagd zurückgeholt. Die meisten Weine der Wachau gehören dieser Kategorie an, die in Deutschland mit einem Kabinett vergleichbar ist.
An der Spitze der Pyramide steht der Smaragd, benannt nach den in den Wachauer Steillagen häufig vorkommenden Smaragd-Eidechsen. Die Trauben bleiben wie bei einer Spätlese länger am Rebstock und bringen besonders vielschichtige, strukturierte und kräftigere Weine mit einem Alkoholgehalt von mindestens 12,5 Prozent hervor.
Weinhauer statt Winzer
Produziert werden die Weine nicht von Winzern. Sondern von Weinhauern, wie es hier heißt. Rund 650 von Ihnen gibt es in dem schmalen Streifen links und rechts der Donau. Auch an einen anderen Begriff müssen sich deutsche Weinliebhaber hier erst gewöhnen. Einzelne Lagen heißen nicht Einzellagen, sondern Rieden. Als die besten unter den insgesamt 117 gelten die beiden benachbarten Riede Achleiten und Klaus auf der linken Donauseite in der Nähe von Weißkirchen, ziemlich genau in der Mitte des Gebiets. Die meisten Reben wachsen hier in terrassierten Steillagen, die von kunstvoll errichteten Trockensteinmauern eingefasst sind. Aneinandergereiht ergäben sie eine Gesamtlänge von mehr als 700 Kilometern bei einer Fläche von zwei Millionen Quadratmetern.
Smaragde machen Terroir schmeckbar
„Smaragde“ in den besten Rieden entwickeln eine enorme Mineralität mit einem hohen Alterungspotenzial. Eingefleischte Fans deutscher Rieslinge werden sich jedoch umstellen müssen, schließlich ist die Stilistik in der Wachau eine gänzlich andere als in der Pfalz, im Rheingau oder an der Mosel. Wenn je der (oft missbräuchlich verwendete) Begriff „Terroir“ schmeckbar ist, dann hier. Anderes Klima, hierzulande im Weinanbau kaum bekannte Böden wie etwa Orthogneis oder Amphibiolit, größere Höhen, die Fallwinde und vor allem die Handschrift des Winzers – alles ist hier anders. Der ein oder andere Winzer gibt auch offen zu, dass er viel mehr Erfahrung mit Grünem Veltliner als mit Rieslingen hat. „Warum sollen wir Riesling machen, wenn wir Grünen Veltliner können“, sagt einer von ihnen.
Viele Weinhauer vermarkten ihre Produkte direkt ab Hof, häufig in ihren Heurigenschenken. „Ausg’steckt is‘“ heißt es mehrmals im Jahr für ein paar Wochen: in Gärten, auf Terrassen, in Scheunen und Höfen. Serviert werden deftige Speisen wie Grammelschmalzbrot (Schweineschmalz mit ausgelassenem Speck), Geselchtes (gepökeltes Schweinefleisch) oder gebackene Blutwurst mit Meerrettich und Senf.

Top-Adresse: Domäne Wachau
Unbedingt einen Besuch wert, auch wenn sie keinen Heurigen bietet, ist die Domäne Wachau in Dürnstein. Ursprünglich unter adeliger und kirchlicher Herrschaft, ist die Domäne seit nahezu 100 Jahren als Genossenschaft organisiert. Der Zusammenschluss von 160 Weinhauern hat sich einem kompromisslosen Qualitätsmanagement verschrieben. Während anderenorts die Führung von Genossen oft der Dressur eines Flohzirkus gleicht, scheint dies hier in der Wachau unter der Führung des Master of Wine Roman Horvath bestens zu funktionieren. Nicht nur in Sachen Qualität per se, sondern auch was die Umstellung auf Bio angeht. Mit 400 Hektar bewirtschaften die Genossen etwa ein Drittel der Weinberge in der Wachau, davon sind 40 Prozent bereits auf Bio umgestellt. Auf 70 Prozent der Fläche wird Grüner Veltliner angebaut, auf 20 Riesling. „Wir wollen einer der besten Weißweinerzeuger Österreichs sein“, lautet die Zielrichtung. Dass dieser Anspruch nicht zu hoch gegriffen ist, untermauerte unlängst das renommierte „Magazin für kulinarischen Lifestyle“ Falstaff. 2024 kürte es die Domäne zum österreichischen „Winzer des Jahres“.
Taktgeber Vinea Wachau
Zweiter großer Taktgeber in der Region ist eine Vereinigung mit dem etwas sperrigen Namen Vinea Wachau Nobilis Districtus. In ihr haben sich vor mehr als 40 Jahren und damit noch vor dem österreichischen Weinskandal bis heute 200 Winzer zusammengeschlossen, die ein – so die Eigenwerbung – „absolutes Bekenntnis zu Qualität, Ursprung und Handarbeit“ abgelegt haben. Handarbeit bedeutet, dass ausschließlich auch per Hand gelesen wird – selbst in den flachen Auenlagen nahe der Donau. Die Übergänge zwischen den einzelnen Markt-Teilnehmern sind fließend. Die Domäne ist wie selbstverständlich ebenfalls Mitglied bei Vinea Wachau. Und manches Vinea-Mitglied, das seine Weine überwiegend selbst ausbaut und vermarktet, liefert einen Teil seiner Ernte wiederum an die Domäne. Ausschließlich Winzer der Vinea Wachau dürfen die Bezeichnungen Steinfeder, Federspiel und Smaragd benutzen.
Das Achtel für zwei Euro
Preislich kann man in der Wachau manch Überraschung erleben, in die eine wie in die andere Richtung. Im Heurigen bekommt man ein Achtel Grüner Veltliner schon mal für zwei Euro. Flaschenweine ab Hof starten bei der leichten Steinfeder knapp unter 10 Euro, das Federspiel kostet um die 15, die Smaragde um die 25. Für gereifte Rieslinge aus der Smaragd-Serie ruft die Domäne Preise zwischen knapp 40 und gut 50 Euro auf. Die Wachau ist nicht nur in Sachen Qualität, sondern auch preislich aufgewacht.

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