Mein guter Freund Olaf Dudek sammelt Tokajer, und das schon seit fast 50 Jahren. Wer Tokajer noch nie gehört hat: Der Wein aus dem 87 Kilometer langen und bis vier Kilometer breiten Tokajer Weingebiet zwischen den Flüssen Theiß und Bodrog in Ungarn (10 Prozent des Gebietes liegen in der Slowakei) gehört zu den traditionsreichen Weinen der Welt. Die Tokaji Aszu, also die süßen Tokajer (es gibt auch trockene), zählen zu den besten Süßweinen weltweit. Wenn mal ein älterer Tokajer entkorkt wird, ist das ein Ereignis. Jetzt war es mal wieder soweit. Verkostet wurde eine Flasche Tokaji Aszú 1975.

In der DDR gekauft

Den Wein hat Olaf Dudek 1979 in der DDR gekauft, wo einfache Tokajer relativ leicht zu bekommen waren. Eine Flasche hat damals 14 DDR-Mark gekostet. Hört sich wenig an, aber bei den damaligen Gehältern war das nicht billig. Die gekauften Tokajer sind ein paar Mal mit dem Besitzer umgezogen, seit ca. 20 Jahren sind sie in einem herrlichen Gewölbekeller mit perfekten klimatischen Bedingen gelagert. Das Etikett fiel beim behutsamen Herausnehmen der Flasche aus dem Regal dennoch ab, auch die Banderole mit dem Jahrgang 1975.

Export Monimpex Budapest

Tokaji aszú ist ein Süßwein. Welche Rebsorten im Spiel sind, verrät das Etikett nicht. Der Alkoholgehalt war möglicherweise am leicht zerstörten rechten unteren Rand aufgedruckt. Zum Erzeuger gibt es außer „Export Monimpex Budapest“, wohl ein Staatskonzern, keinen Hinweis. Auf der Banderole mit dem Jahrgang steht die Zahl 3. Bedeutet 3 Puttonyos (Butten). Puttony sind das traditionelle Maß für die Menge an edelfaulen Trauben, die dem Grundwein (nicht von Botrytis befallen) beigegeben wird. Bei 6 Puttonyos beträgt das Verhältnis etwa 1:1. Drei Butten bedeuten 75 kg edelfauleTrauben auf 136,5 Liter Grundwein und damit 60 bis 90 g/l Restzucker. So die aktuelle Gesetzeslage. Ob das 1975 auch so war muss noch recherchiert werden. 3 Puttonyos sind die unterste Stufe der Klassifizierung. Fakt ist: Das war ein eher gewöhnlicher, auf keinen Fall ein großer Wein. Für damalige Verhältnisse fast Alltagsware. 

Grandseigneur im Glas 

Was wir dann kosten durften hatte mit Alltagsware jedoch nichts zu tun. Nach dem ausgießen wurde zunächst geschaut: Rotbraune Farbe, erstaunlich klar. Der erste Eindruck in der Nase war der Geruch von frischen Walnüssen, später dann Früchtebrot. Nun der erste Schluck – unglaublich!  Was, 47 Jahre ist der alt? Kaum zu glauben. Denn der Tokajer hatte eine erstaunliche Frische, wir entdeckten Spuren von Minze. Das Stichwort Rohmarzipan fiel, die sehr dezente Süße war angenehm. Im Fünf-Minuten-Takt änderte der Tokajer sein Wesen. Beim zweiten Glas dachten wir an Nussschnaps. Und nach einer Viertelstunde war der Tokajer ein Grandseigneur. Also wenn schon Alterung, dann eine äußerst vornehme und mit allergrößter Würde. Finales Urteil: Ein großartiger Tropfen! Wie würde sich wohl ein reifer Tokajer mit 5 oder 6 Puttonyos  präsentieren? Muss probiert werden.


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