Der Weinbeobachter ist ein Freund autochthoner Rebsorten und „exotisch“ anmutender Weinbauregionen. Habe nun endlich Bekanntschaft mit Weinen aus Armenien gemacht. Und damit auch mit Rebsorten wie Khndoghni, Qrditchakat oder Haghtanak. Wieder Überraschungen und Begeisterung wie beim Nachbarn Georgien? Ja und Nein.

Armenien als Wiege des Weinbaus?

Armenien war  bisher im Gegensatz zu wahrhaft außergewöhnlichen Wein-Ländern wie Nepal oder Vietnam noch ein weißer Fleck auf der privaten Karte der verkosteten Regionen. Eigentlich eine Schande,  vermuten Forscher doch in Armenien den Ursprung des kultivierten Weinbaus. 8000 Jahre soll das her sein. Die Weinkultur in der Kaukasus-Republik erlebte im Mittelalter durch arabische Einfälle und das damit verbundene islamische Alkoholverbot immer wieder Rückschläge. Im 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts gab es eine neue Blüte. Doch zu Zeiten der Sowjetunion wurde staatlich verfügt, dass armenischer Wein zu Cognac verarbeitet wird. Tatsächlich hat(te) armenischer Cognac seine Fans in der Welt der Spirituosen.  

Armeniens Wendepunkt 1991

Nach der wiedererlangten Souveränität 1991 erlebte der Weinbau in Armenien ein Comeback. Die Genossenschaften konnten frei entscheiden, es gab eine kleine Gründerwelle,  Berater aus Frankreich und Italien halfen. Zum Teil übernahmen armenische Rückkehrer aus dem Exil die Geschicke. 1994 kamen die ersten Flaschen armenischen Weines auf den Markt. Mittlerweile hat eine junge, gut geschulte Winzergeneration, die im Ausland Erfahrungen gesammelt hat, das Ruder in die Hand genommen und erzeugt Weine von internationalem Standard. Die heutige Rebfläche nimmt sich mit knapp 25.000 Hektar Fläche freilich bescheiden aus.  Die Weinberge befinden sich vor allem in Höhenlagen zwischen 400 und 1700 Metern Höhe.   

Wie schmeckt Wein aus Armenien?

Wir haben zu viert verkostet und waren angesichts der unbekannten  Rebsorten auf geschmackliche Abenteuer gefasst. Davon gab es wenige. Zu unserer Überraschung waren die probierten Rotweine leicht und gut trinkbar, wirkten stilistisch sehr europäisch. Ist das dem Einfluss der Berater aus Italien und Frankreich beim Wiederaufbau nach 1991 geschuldet? Oder soll es den Export erleichtern? Ist aber definitiv kein Makel! Uns haben die Weine – bis auf eine Ausnahme – gefallen, zwei sogar richtig gut. Doch Alleinstellungsmerkmale hatten die probierten armenischen Weine kaum. 

Verkostete Weißweine

Gevorkian Garoun  2017: Weißwein der Rebsorte Kangun, 13% Alkohol. Strohgelb mit goldenen Reflexen, in der Nase Quitte. Geschmack leicht fruchtig mit Zitrus- und Rhabarber-Aromen. Im Stil altes Osteuropa, trockene Ausführung der Balkan-Weine zu DDR-Zeiten. Die berühmte „Adriasonne“ zum Beispiel. Solo etwas schwierig, kein Zechwein. Zum Essen aber super – zum Beispiel zur armenischen Spezialität Yalanchi Sarma. Das 2006 gegründete Weingut Gevorkian gehört zu den Marktführern der armenischen Weinindustrie.

Voskeni Dry White 2017: Eine Cuvée der Rebsorten Voskehat, Garandmak, Khatun und Qrditchakat. Klasse-Wein! Florale Aromen, Alpenwiese, Heu, Gras, dazu leichte Bittertöne wie Grapefruit. Hier wirklich mal autochthoner Charakter, nicht vergleichbar mit anderen Sorten. Das Etikett zeigt den Gründer der Winery Smbat Mateossian, ein Geschäftsmann aus Boston, der Anfang der 1920er Jahre nach Armenien zog und sein eigenes Weingut gründete. Das wurde während der Zeit der Bolschewiki beschlagnahmt  und von der Familie Mateossian 2008 zurückgekauft.

Verkostete Rotweine

Gevorkian Odzun 2017: 12% Alkohol, eine Cuvée der Rebsorten Haghtanak, Karmrahyut und Kakhet. War der einzige Durchfaller des Tastings, in jeder Hinsicht unangenehm. Hat sich auch nach mehreren Stunden offen und dekantiert keineswegs zum Besseren entwickelt. Eindeutig Kork! 

Voskevaz 2018: Der Standard-Rotwein der bereits im Jahr 1932 gegründeten Voskevaz-Winery im gleichnamigen Dorf. Eine Cuvée der Rebsorten Haghtanak und Kakhet, schmeckt eindeutig mehr als nach den angegebenen 12,5% Alkohol. Wir entdecken klassische Rotwein-Aromen wie Beeren, Pflaumen und Walnuss, balancierte Tannine. Schöne Dichte. Wir fühlen uns ganz ins  südliche Europa versetzt und haben uns auf dieses Urteil geeinigt: Der Primitivo von Armenien.  

Voskevaz Areni 2017: Ein reinsortiger Areni Noir, auch vom Weingut Voskevaz. Hat 13% Alkohol. In der Farbe ein auffallend helles rot. Im Geschmack zuerst leicht nussig, dann markant nach Sahne-Toffee, gebrannten Mandeln, Vanillezucker, Vollmilch-Schokolade (eine Teilnehmerin diagnostizierte korrekt: Nicaragua von Zotter 50%). Dazu weitere leicht süßliche Spuren. Daim in flüssig? Nicht jedermanns Sache, aber auch nicht unbedingt störend. Ein leichter Wein, balanciert, Kategorie easy drinking. Daim-Liebhaber könnten ihre Freude haben.

Karas 2018: Mein persönlicher „Sieger“ bei den Rotweinen. Cuvée der Rebsorten Areni Noir und Khndoghni, die Reben wachsen auf vulkanischem Boden.  Modern gemacht, sehr zugänglich.  Pink-Lila Reflexe. In der Nase Stroh, im Geschmack Aromen von frischen  Walnüssen, Pflaumen, Salzkaramell, salziger Meeresluft. Der Name: Karas ist eine Art Krug, der seit ewigen Zeiten  zur Lagerung von Wein verwendet wird.  Karas ist ein Familienweingut. Die Familie Eurnekian war in der kommunistischen Herrschaft nach Argentinien geflüchtet. Dort gründete sie ein Weingut und kehrte nach der wiedererlangten Unabhängigkeit Armeniens zurück. Das Gut in Argentinien wird weiter betrieben.

Maran Winery Malahi 2018: Von den Rebsorten Areni Noir, Malbec und Khndoghni, satte 14,0% Alkohol. Irgendwie skurriler Rotwein vom Weingut Maran. Die Reben wachsen bis in 1375 Metern Höhe.  Reift in Fässern aus Karabach-Eiche. Wenig Nase. Sehr trocken, wir entdecken Aromen von Trüffel, Lakritz, Minze und Pflaume, auch Schafstall. Dürfte ein starker Speisebegleiter zu Hammel, Schaf oder Wild sein. Die Keller des Weinguts Maran in Eriwan wurden einst von deutschen Kriegsgefangenen erbaut. Eigentümer der Maran-Winery ist die Familie Harutyunyan. Kürzlich hat Frunz Harutyunyan, ein Absolvent in Geisenheim, das Zepter übernommen.


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