Der italienische Weinführer Gambero Rosso präsentierte seine 2020-er Ausgabe. 457 Weine erhielten die begehrte (und verkaufsfördernde) Höchstwertung von 3 Gläsern. Habe nach der Würdigung der Sonderpreise noch einen Praxistest gemacht, ganz nach dem Motto: Das (vermeintlich) Beste ist gerade gut genug. Also zehn vom Gambero mit 3 Gläsern geadelte Weine probiert und mit der eigenen Bewertung verglichen. Hat Spaß gemacht. Die Beurteilungen im Gambero lesen sich in der Übersetzung mitunter eigenartig, aber wir wissen, was gemeint ist.

Collio Ribolla Gialla di Oslavia Riserva 2016 

Primosic – Friaul
Der Wein: 100 Prozent Ribolla Gialla, einer autochthonen Rebsorte. Gärung mit einheimischen Hefen, ohne Schwefel. Dann 24 Monate Reifung im Fass, danach 12 Monate in der Flasche.  Der 32-Hektar-Betrieb Primosic in Gorizia gehört zu den Top-Weingütern im Friaul. Alle Weine werden spontan vergoren.
Der Gambero urteilt: „Der Ribolla Gialla di Oslavia Riserva  steht an erster Stelle, mit seinen Anklängen von Aprikosenkonfitüre und grünen Nussschalen.“

Als Fan autochthoner Sorten steht der Ribolla Gialla weit oben. Die intensive goldgelbe Farbe fällt auf. Der Wein ist sehr kraftvoll, 14 Prozent Alc. sind bei dieser Rebe nicht oft zu finden. Den Alkohol merkt man aber kaum, weil perfekt eingebunden. Aprikose klar, finde auch etwas Orange und einen schönen mineralischen Ton. Unbedingt die Höchstwertung!

Lugana Molceo Riserva ’17

Ottella – Venetien
Der Wein: 100 Prozent von der autochtonen Rebsorte Turbiana. Trebbiano di Liugana oder Trebbiano di Soave sind gebräuchliche Synonyme. Die Trauben stammen aus den Weinbergen des 40 Hektar-Anwesens in Peschiera del Garda südlich des Gardasees. 16-monatige Reifung auf Hefe und Feinhefe, die hauptsächlich in Stahl und der Rest in Holzfässern und Barriques erfolgt.
Der Gambero urteilt: „Der Lugana Molceo ist eine Riserva, der die duftige Seele der Typologie auslotet, mit seinen Nuancen von weißen Blumen und Agrumen und zartem Bittermandelton im Hintergrund. Am Gaumen entfaltet sich der Wein straff und rassig, um trocken und saftig auszuklingen.“

Der Wein kommt wie erwartet frisch und angenehm daher. Seine mineralische Note macht ihn interessant. Leider ist noch kein Sommer, auch der Gardasee ist ein Stück weg. Dort gäbe es garantiert 3 Gläser. 

Madre 2017

Italo Cescon – Venetien
Der Wein: Madre ist von der Weißwein-Traube Manzoni Bianco, einer Kreuzung Riesling x Pinot Blanc. Gilt als einer der besten autochthonen Weißweine Italiens. Italo Cescon ist ein 115 Hektar-Bio-Betrieb in Ormelle, wird von drei Geschwistern geführt.
Der Gambero urteilt: „Der Madre 17 ist ein Weißwein von leicht verschleierter Farbe, da er nicht gefiltert wird. Im Duft Agrumen und exotische Frucht, am Gaumen energisch und schmackhaft, beeindruckend lang im Finale.“

Finde den Madre hochinteressant, würzig, frisch. Schwer zu vergleichen mit anderen Weißweinen der Region. Er lag ein paar Wochen im Barrique, das merkt man. Stört aber nicht. 3 Gläser? Von mir 2,9.

Nizza Generala Riserva ’16

Bersano – Piemont
Der Wein: Reinsortiger Barbera. Vinifikation im Edelstahl, dann  9 Monate im slavonischen Eichenholzfass  gereift. Danach 18 Monate in der Flasche. Bersano in Nizza Monferrato ist mit 230 Hektar Rebfläche eine große Nummer im Gebiet.
Der Gambero urteilt: „Nizza Generala Riserva ’16 Die Version 2016 erobert mit seinen facettierten zitrusfruchtigen und balsamischen Registern vor einem nervigen geschmackvollen und multidimensionalen Mund.“ 

Es gibt mittlerweile einige richtig schöne Barberas. Der so reiche wie elegante Nizza Generala gehört dazu. Der würzige Begleitton zu den typisch roten Früchten macht sich gut. Würde sagen, ein Barbara mit Persönlichkeit.  

Ruché di Castagnole M. to Laccento ’18

Montalbera – Piemont
Der Wein: Ausschließlich die Rebsorte Ruché. 80% wurden bei perfekten Reifebedingungen geerntet,  20% bei Überreifung direkt im Weinberg gelesen. Reifung in Stahltanks und anschließend horizontal in der Flasche.
Der Gambero urteilt: „Der Laccento ist überschwänglicher in den Anspielungen an Rose und Lakritz, die auch in gewaltigen und von dichten Gerbstoffen umschmeichelten, feinen Gaumen gut präsent sind.“

Stimmt alles. Aber der Clou ist die Rebsorte. Ruché war fast vergessen, wurde in den 1970er Jahren wiederentdeckt. Montalbera bewirtschaftet 65 Prozent der weltweit angebauten Fläche des Ruché, immerhin 85 Hektar. Gottseidank, denn der autochthone Ruché gehört trotz Waldbeermarmelade, Lakritz usw. nicht in die Kategorie Weltweingeschmack. Großes Lob und 3 Gläser!

Rosso Piceno Superiore Roggio del Filare 2016

Velenosi – Marken
Der Wein: Cuvée aus 80% Montepulciano und 20% Sangiovese. Die Rebflächen in Offida sind auf 250 Metern Höhe. Reifung 2 Jahre im Eichenholzfass. Velenosi, geführt von Ercole und Angela Velenosi, ist ein mit 192 Hektar Rebfläche und 2,5 Millionen Flaschen jährlich großes Gut, erst 1984 entstanden.
Der Gambero urteilt: „Die klare Erinnerung an Sauerkirsche, die Vielschichtigkeit der würzigen Akzente , die im Fruchtfleisch gegossene Tanninsüße überzeugen ab dem ersten Schluck.“

Klar, schöner Wein, fruchtig, überraschend frisch, lebendig. Tue mit mit dem Begriff Tanninsüße etwas schwer, man lernt halt nie aus. Drei Gläser nachvollziehbar.

Roma Rosso Edizione Limitata ’16

Poggio le Volpi  – Latium
Der Wein: Eine Cuvée aus Montepulciano, Syrah und Cesanese. Nach sorgfältiger Traubenauswahl wird die Gärung in Stahl  durchgeführt, gefolgt von einer etwa einjährigen Reifung in Barriques. Poggio le Volpi hat stolze 145 Hektar Rebfläche.
Der Gambero urteilt: „Auf die Nase mit dunklen Früchten und süßen Gewürzen folgt ein dichter, intensiver Gaumen.“

Der dunkelrote Wein lag sicher mehr als ein Jahr im Barrique, der braucht noch Zeit. In ein, zwei Jahren (und länger)  kann man sich auf das Spiel einlassen, welche der drei Rebsorten sich mit welchen Eigenschaften einbringt. Im Moment ist irgendwie alles da: Beeren, Pflaumen, Alkohol, Pfeffer, Tannine.   

Montepulciano d’Abruzzo Organic ’18

Feudo Antico – Abruzzen
Der Wein: 100% Montepulciano d’Abruzzo. Die Trauben werden getrocknet, der Wein reift dann 6 Monate auf der Hefe in Edelstahltanks. Nur 4 Gramm Restzucker. Gewachsen sind die Reben auf Kalkstein im DOC-Gebiet Tullum, „dessen Fahnenträger“ das Weingut wohl ist. Feudo Antico hat nur 20 Hektar Rebfläche, produziert nur 80000 Flaschen im Jahr, komplett Bio.
Der Gambero urteilt: „Die junge Version setzt auf Frucht und Trinkbarkeit, verzichtet aber dank der dichten und dennoch süßen Tannine keineswegs auf eine gewisse Ernsthaftigkeit.“

Unkompliziert, gut strukturiert, leicht trinkbar. Macht einfach Spaß. 3 Gläser? Glaube, es gibt noch einige Montepulcianos dieser Kategorie. In Italien kostet der Wein nur 7 bis 8 Euro nur, allein das verdient das dritte Glas. 

Montepulciano d’Abruzzo Podere Castorani Ris. ’15

Castorani – Abruzzen
Der Wein: 100% Montepulciano d’Abruzzo. Die Reben stehen in Castorani, 340 Meter über dem Meeresspiegel. Die ersten 12 Monate reift er auf der Hefe in Eichenfässern, die nächsten 6 Monate in Bottichen. Flaschenalterung 15 Monate. Das 72 Hektar-Weingut (benannt nach seinem ersten Besitzer Rafael Castorani /18. Jahrhundert) gehört dem ehemaligen Formel-1-Rennfahrer Jarno Trulli.
Der Gambero urteilt: „Sieger im Rennen um die drei Gläser ist wieder der strenge, dichte und entwicklungsfähige Montepulciano d’Abruzzo Podere Castorani Ris. ’15.“

Es gibt auch einen Wein „Jarno Rosso“. Der ist unheimlich fett, hat viel Power. Viel PS wohl. Ganz so viel PS hat der 3-Gläser-Montepulciano nicht. Doch auch der hat enorme Kraft und Intensität, weit über dem Durchschnitt dieser Rebsorte. Enorm auch die aromatische Vielfalt: Lakritz, rote Beeren, Vanille, kann man alles entdecken.

Castel del Monte Rosso V. Pedale Riserva 16

Torrevento – Apulien
Der Wein:  Ein sortenreiner Nero di Troia, 14 Monate in großen Holzfässern gereift. Bekommt das achte Jahr in Folge die „3 Bicchieri“ (3 Gläser). Torrevento ist mit 450 Hektar ein Gigant in Apulien.
Der Gambero urteilt: „Der Castel del Monte Rosso V. Pedale Riserva wartet mit einem Waldfrüchtearoma und Gewürzen auf, am Gaumen ungemein nachhaltig und frisch, lang und schmackhaft: Drei Gläser, ohne Wenn und Aber.“

Ohne Wenn und Aber – der Wein schmeckt schon. Erfüllt alles, was von einem charismatischen Apulier erwartet wird. Ein feines Beispiel, dass sich Betriebsgröße und Top-Qualität nicht ausschließen müssen. 


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