Gastautor Michael Heinrich hat Familie Potterat in Cully in der Schweiz besucht. Die vielen Abkürzungen in der Domaine-Bezeichnung stehen für die drei Geschäftsführer der Familie Jean-François, Jacques und Guillaume.  Die Domaine Potterat kann ihre Wurzeln bis zur Reformation zurückführen. Bin 11 Uhr da; man sitzt schon bei einem Glas Chasselas zusammen. Da stimme ich gern ein!

Chasselas aus Epesses

Es geht los mit einem Chasselas aus Epesses. Er begrüßt mich mit einer frischen, blumigen Note in der Nase. Am Gaumen spürt man seine vordergründige Mineralität. Natürlich ist er trocken ausgebaut, leicht und klar ohne Schnörkel. Angenehm unkompliziert, aber nicht plump. Die Waadtländer sagen auch, vom Chasselas kann man immer ein Glas mehr trinken. Stimmt, Santé!
Inzwischen erklärt mir Monsieur Potterat seine Philosophie im Weinberg: kein Dünger, keine Pestizide, in der Reifephase der Trauben wird Molke statt chemische Mittel gegen Oidium gespritzt, viel Aufwand auf 3,5 Hektar Fläche für durchschnittlich 35.000 Flaschen Jahresproduktion. Sieben Weine hat Potterat im Sortiment, fast ausschließlich Chasselas. Konzentration auf das Wesentliche eben. 

Chasselas Côtes de Courseboux

Der Chasselas aus Epesses war schon nicht schlecht, aber da geht mehr. Die Flasche ist jetzt auch alle. Weitere Gäste haben sich dazugesellt. Jetzt kommt ein Chasselas Côtes de Courseboux ins Glas. Selbe Rebsorte, gleicher Ausbau, aber dennoch deutlicher Unterschied: extrem fruchtiger Geruch und Geschmack, weich und schmeichelnd am Gaumen, lang nachklingend nach reifen Birnen.
Hier kommt eine Charakteristik der Rebsorte zum Tragen: Chasselas wird viel stärker vom Terroir und den Jahresbedingungen geprägt als beispielsweise ein Chardonnay. Die Trauben für diesen Wein bekommen mehr Zeit für die Reife. Der Wein wird auch erst im September des folgenden Jahres auf die Flasche gezogen.

Überraschung Plant Robert

Monsieur Potterat hat zudem noch zwei Trümpfe im Keller: eine mechanische, hölzerne Presse von anno 1881, mit der nach wie vor die Trauben gepresst werden. Für die Menge von Potterat reicht die Leistung von 5t/Tag gerade aus. Die Ausbeute kommt bei ihm nicht in Stahltanks sondern in ewig alte, riesige Holzfässer. Durch den Weinstein, der innen längst zentimeterdick die Wände bedeckt, kommt den Wein nicht mit dem Holz in Berührung. 

Für das Besondere stehen sechs Eichenholzfässer in einer Ecke des Kellers. Und tatsächlich: jetzt kommt ein Roter ins Glas; Plant Robert, eine autochthone Sorte. Nase übers Glas, allein das schon „wow“. Weil längst alle 2017er Flaschen ausverkauft sind, hat Monsieur Potterat den 2018er direkt vom Fass eingefüllt, ungefiltert, noch nicht ganz fertig, aber schon jetzt ist dieser Wein großartig: granatrote Farbe, sehr würzig, pfeffrige Note. Man spürt noch bisschen zu sehr das Holz, ein paar Wochen in der Flasche werden ihm noch gut tun.
Aber schon jetzt ist es ein absoluter Charakterwein, der sich in keine Schublade pressen lässt; wild und doch distinguiert, feingliedrig mit Ecken und Kanten. Der beste Schweizer Wein, den ich in meinem gesamten Aufenthalt probiere, ist dann doch ein Roter.


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