Jedes Jahr Anfang September stellen die VdP-Güter ihre Großen Gewächse des aktuellen Jahrgangs vor. 115 VdP-Winzer präsentierten ihre Stars in Berlin, fast 500 Weine. Was soll man zu den Großen Gewächsen, den GG‘s, von 2017 sagen? Schöne Tropfen! Die meisten jedenfalls. Schlechte Jahrgänge gibt es ohnehin nicht mehr. Anders als früher können die Winzer dank moderner Kellertechnik mit schwierigen Witterungsverhältnissen umgehen. Sehr gut sogar, wie der 2017-er Jahrgang beweist. Natürlich war es nicht möglich, alles zu probieren. Daher Konzentration auf Rieslinge – mit Seitensprüngen.

Stars von der Saar

Wollte mich eigentlich auf die trockenen GG‘s zu konzentrieren, bin aber gleich am Anfang bei den Spätlesen und Auslesen von Mosel und Saar schwach geworden. Überhaupt die Saar. Mir scheint, bei den 2017-er Rieslingen kommen die Stars von der Saar. War gleich an Tisch 1 zu ahnen, Forstmeister Geltz-Zilliken. Feines Portfolio: Der Riesling GG Rausch mit präsenter Säure und viel Charisma, dann Kabinett, Spätlese, Auslese. Überall tolle Balance zwischen Restzucker und Säure, wunderbare Weine. Die Krönung: Riesling Auslese Goldkapsel, 145 Gramm Restzucker und 11,4 Gramm Säure, großartig. Was konnte danach noch kommen?

Da kam schon noch was. Von Othegraven, auch Saar, ein sicherer Tipp. Auch hier die Riesling Spätlese und Auslese vom Altenberg in Kanzem schön balanciert. Sehr gut gefallen hat mir auch der Kabinett Altenberg. Von Othegraven-Boss Günther Jauch kann stolz sein, diese Weine haben ganz und gar nichts mit den missglückten Jauch-Weinen bei Aldi zu tun.
Weiter an der Saar. Eine schöne Entdeckung  war das Weingut Piedmont aus Konz-Filzen, VdP-Gründungsmitglied, mit 4,5 Hektar Rebfläche eher kleiner Betrieb. Aber blitzsaubere Rieslinge, filigran, elegant und angenehmer Trinkigkeit. 

Sicherer Tipp Mosel  

Auch von der Mosel kommt viel Gutes, natürlich. Die Rieslinge von Clemens Busch verdienen das Prädikat Weltklasse, haben eine tolle Mineralität. Die GG Marienburg, Marienburg Rothepfad und Marienburg Fahrlay (da von 2016) haben fast die gleiche Herkunft – und sind doch verschieden.  Fritz Haag hat mit der Juffer Sonnenuhr eine Top-Lage und bringt deren Vorzüge wieder sicher in die Flasche. Das GG hat eine tolle Mineralität, die Auslese ist fein und die Auslese Goldkapsel (30%iger Botrytris-Anteil) ausgezeichnet. Ganz individuell die Weine von Heymann-Löwenstein. Sein Uhlen „Blaufüsser Lay“ ist umwerfend und ein tolles Beispiel, wie man Terroir ins Glas bringt. Schaffen auch seine Rieslinge vom Kirchberg, Stolzenberg und Röttgen – stilistisch eine Linie, aber jeder für sich eine eigene Persönlichkeit. Bei Joh. Jos. Prüm kann man nicht vorbeigehen. Die Lagen Graacher Himmelreich oder Wehlener Sonnenuhr sind weltberühmt, die Weine auch und sie enttäuschen – natürlich – nicht. Auch wenn noch gar kein 2017er zu probieren war. Aber wen interessiert das schon bei den wunderbaren Auslesen von der Wehlener Sonnenuhr 2007 und 2009?

Von Nahe bis Pfalz

Nach dem Spaziergang im Riesling-Himmel war es für die anderen nicht leicht. Von der Nahe kommen auch schöne Rieslinge, stilistisch jedoch anders. Die von Hermann Dönnhoff haben maximal 5 Gramm Restzucker, was nach all den Spätlesen und Auslesen neue Konzentration erfordert. Ist das geschafft, hat man am Charakter der Großen Gewächse vom Felsberg oder Dellchen seine Freude. Mein Favorit war der Riesling Krötenpfuhl mit seiner markanten Säure. Auch die Rieslinge von Kruger-Rumpf sind zu loben. Ob Dautenpflänzer, Scharlachberg oder Im Pitterberg – sie haben einen schönen Trinkfluss.
Bei Rheinhessen ist mir der sehr schöne Riesling Liebfrauenstift Kirchenstück von Gutzler aufgefallen. Unbedingt zu erwähnen sind auch die filigranen Rieslinge Aulerde und Kirchspiel von Wittmann.
Von der Pfalz gab es schon bei „Wein am Dom“ beste Eindrücke. Jetzt in Berlin noch aufgefallen: Philipp Kuhn mit exzellenten Rieslingen Im Grossen Garten, Schwarzer Herrgott und sein Paradestück Kirschgarten. Letzterer ist ein kleines Kunstwerk: Schlank, aber extraktreich, schönes Säurespiel, aber voller Harmonie. Toll auch die Rieslinge von Theo Minges (Hölle, Schäwer), unfiltriert, spontan vergoren, echte Persönlichkeiten. Gilt auch für die Rieslinge von Ökonomierat Rebholz (Lagen Sonnenschein, Ganz Horn und Kastanienbusch), eine sichere Bank in der Pfalz. Alle haben weniger als ein Gramm Restzucker pro Liter, eine wunderbare Frische, Lebendigkeit  und Harmonie.

Geheimtipps: Der Osten und Württemberg

Dass auch die Winzer im Osten Riesling können, ist längst kein Geheimnis mehr. Der Riesling Hohe Gräte von Uwe Lützkendorf (Saale-Unstrut) ist stets ein sicherer Tipp, auch 2017. Einen Tick besser noch hat mir der Riesling Edelacker von Bernard Pawis gefallen, schöne Säure-Harmonie. Klaus Zimmerling aus Sachsen stellte einen sehr schönen feinherben Riesling vom Königlichen Weinberg vor, zart, seidig, macht Spaß.
Ein dickes Ausrufezeichen auch beim Riesling Am Lumpen von Rainer Sauer aus Franken, tolle Mineralität.
Württemberg ist wahrlich kein Riesling-Dorado, aber auch von dort kommen schöne! Der Riesling Altenberg von Jürgen Ellwanger zum Beispiel, ganz eigener Charakter, schöne Würze.  Oder Rainer Schnaitmann, der einen 2016er Riesling vom Lämmer präsentierte, der zwei Jahre im Holzfass gereift ist. Toller Tropfen!   

Seitensprünge

Ja, Deutschland ist Riesling-Land. Aber, klar, es gibt auch noch andere tolle Tropfen.  Ohne Rang und Reihenfolge steht ein dickes Ausrufezeichen hinter folgenden Nicht-Rieslingen:
Die Silvaner von Rudolf May, Franken. Sowohl der Himmelspfad als auch der Rothlauf haben weniger als 2 Gramm Restzucker, bringen das Terroir (Muschelkalk) perfekt ins Glas. Prädikat Weltklasse!
Der Chardonnay „Gras im Ofen“ von Dr. Heger, Baden. Lag 10 Monate im Barrique, perfekt. Noch ein Chardonnay aus Baden, Franz Keller, Lage Kirchberg, 12 Monate im Holz gereift, davon ein Drittel in neuem Holz. Überaus gelungen.
Von Bernard Pawis, Saale-Unstrut, der Weiße Burgunder GG vom Edelacker, schön schmelzig. Auch sein Grauburgunder ist absolut gelungen wie auch der Grauburgunder von Schloss Proschwitz. 

Und die Roten?

Hatte ich zum Schluss vor. Doch: Die Uhr tickte und fast alle der ausgewählten waren ausgetrunken.  Etwas schönes Rotes gab’s doch noch: Der Lemberger GG von Rainer Schnaitmann war eine echte Entdeckung und ein tolles Beispiel, was man aus einer Rebsorte mit, nun ja, nicht so tollem Ruf machen kann.  

@Fotos: VdP (1), Uwe Köster (5); 


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