Mehr Pfalz geht nicht. „Wein am Dom“ in Speyer war wieder eine wunderbare „Pflicht“, wie schon 2017 und 2016. Eine wirklich große Show. Nirgendwo sonst ist ein so umfassender Überblick möglich, was beim Wein in der Pfalz so  läuft. Die Kenndaten der sechsten Auflage 2018: 1000 Weine von 170 Weingütern, insgesamt gutes Niveau.
Nun sind 1000 Weine an zwei Tagen nicht leicht und schon gar nicht fair zu verkosten. Deshalb alle Jahre wieder die Frage: Wo anfangen, wo aufhören? Silvaner und Saint Laurent standen diesmal im Fokus. In den beiden Kategorien wurden auch die „Entdeckungen des Jahres“ gekürt.  Eine begehrte Ehrung, bekommt mit diesem Stempel das Weingut einen tollen PR-Schub. 19 Silvaner (alle von 2017) und 39 Sankt Laurent (Jahrgänge 2012 bis 2107) bewarben sich um die „Entdeckung“, die Jury unter Vorsitz von Sommelier Peer Holm kostete zwei Tage lang.
Also – erstmal konsequent Silvaner und Saint Laurent probieren. Und dann noch einiges mehr.

Die Silvaner-Tour

Beim Silvaner ist der Silvaner Alte Reben vom Weingut Richard Rinck aus Heuchelheim-Klingen die Entdeckung des Jahres. Der hat eine tolle Frische, nur 0,6 Gramm Restzucker, Zitrus-Aromen, einen schönen Schmelz, strahlt viel Lebendigkeit aus. Silvaner transportiert Terroir besonders gut, alte Reben (in dem Fall 45 Jahre) bedeuten tiefe Wurzeln, ein Lehrstück für Terroir-Wein. “Von dem Weingut habe ich noch nie gehört“ war oft zu hören. Umso besser möchte man sagen, da wurde also wirklich was entdeckt.  Ja, der Silvaner von Richard Rinck ist gut, sehr gut, gehe mit der Jury mit. Habe 32 weitere Silvaner probiert, die meisten auf einem akzeptablen Level. Oft wurde mit Zucker gespielt, was die Weine etwas beliebig macht und nicht so mein Ding ist. Auch wenn die Wiederentdeckung (und -belebung) der einstigen Massenrebsorte Silvaner in der Pfalz nur zu loben ist – zum Niveau der Silvaner aus Franken fehlt oft noch ein Stück.

Neben Richard Rinck auf dem Merkzettel:
2017 Laumersheimer Silvaner trocken, Weingut Jesuitenhof, Dirmstein
2017 Silvaner trocken, Weingut Kastanienberg, Hainfeld.

 

Die St. Laurent-Tour

Bei den 39 angestellten St. Laurent gewann der 2015er Sankt Laurent Schwarzes Kreuz vom Weingut Kirchner aus Freinsheim. Es gibt allerhand zu entdecken: Karamell, Toffee, Salzkaramell, Zigarrenkiste, dunkelbeerige Früchte. Unbedingt auch eine gute Wahl – aber nicht meine Nummer 1.
Mein Gewinner nach 41 probierten St. Laurent war der  2015-er  St. Laurent Sausenheimer Honigsack vom Weingut Karl-Heinz Gaul,  Grünstadt-Sausenheim. Perfekt balanciert, Gewürze, Zedernholz, immer neue Aromen, jede Nase, jeder Schluck eine Entdeckungsreise. Vom gleichen Weingut auch unbedingt den Muskateller probieren! 

Weiterhin topp:
2013 St. Laurent Weyher Michelberg, Meier-Weingut in Weyher. Nelken, Gewürze und viel mehr, ein feiner Tropfen.
2015 Saint Laurent, Maikammerer Mandelhöhe,  August Ziegler, Maikammer. Im Tasting etwas zu warm, aber  schöne Würze und Harmonie.
2016 St. Laurent Kalkmergel, Weingut Sauer, Böchingen. Schön geschmeidig, macht viel Spaß.
2015 St. Laurent „Réserve“ Stein & Erde, Wein & Sekthaus Alois Kiefer, Sankt Martin.  16 Monate im Barrique gereift, schon jetzt fein, hat noch ein langes Leben.
2015 Saint Laurent, Maikammerer Kapellenberg, Weingut Winfried Seeber, Sankt Martin. Im Barrique gereift, Holz mit Fingerspitzengefühl gehandelt. 

Bewährt und geliebt

Nach dem nunmehr vierten Besuch in Speyer haben sich einige sichere Adressen und Lieblingsweine herauskristallisiert. Die mussten natürlich besucht und probiert werden – die meisten haben auch diesmal nicht enttäuscht. 

Weingut Henrich Spindler, tolles Riesling-Portfolio, alles biologisch produziert.  Vom Gutswein Forster Riesling (2017) über die von den Paradelagen Herrgottsacker und Ungeheuer (beide 2016) bis zum 2017er Forster Riesling Kabinett mit satten 42 Gramm  Restzucker und über 9 Gramm Säure – alle Klasse. Ganz oben bei mir der Rieslingvom Ungeheuer. 

Weingut Benzinger, Kirchheim a.d.W. Die Orange-Weine sind schon letztes Jahr positiv aufgefallen. Diesmal gab’s den Orange de Picardou Blanc 2016 zum probieren – und der war schlichtweg großartig, weg vom Frucht-Mainstream. Picardou ist übrigens Silvaner, das darf aber nicht auf dem Etikett stehen. Landwein muss es auch heißen. Mit Volker Benzinger lässt sich herrlich übers deutsche Weingesetz diskutieren. Im Glas auch lohnend, weil eigenwillig: Sans Riesling 2016, ungeschwefelt, ohne Restzucker, Landwein natürlich. Benzinger kann  auch klassisch – der 2017er Grauburgunder ist richtig schön. 

Weingut Ernst Weisbrodt, Niederkirchen. Bio-Weingut mit schönen Rieslingen, allen voran der spontan vergorene 2016er Deidesheimer Maushöhle und die trockene Spätlese „P“, schöne Weine. Gelungene Cuvée Gewürztraminer + Riesling, was jetzt offenbar sehr in Mode ist. Die meisten anderen sind vor allem süß, der von Weisbrodt hat viel Charisma und eine schöne Frische. 

Weingut Georg Mosbacher, Forst an der Weinstraße. Vom soliden Gutsriesling (2017) über den fetten, würzigen Grauburgunder „Sur Lie“  (2016) bis hin zum wunderbaren Forster Riesling Basalt (2016) – keine Schwächen, die Visite hat sich wieder gelohnt. 

Weingut Bernhard Koch, Hainfeld. Die Rotweine sind berühmt und weder der 2015 Spätburgunder und erst recht nicht der 2015 Pinot Noir Hainfelder Kirchenstück enttäuschen. Eine sichere Bank.

Weingut Nicole Graeber, Edenkoben. Die 2015er Scheurebe Trockenbeerenauslese war 2016 Entdeckung des Jahres, muss seither immer wieder probiert werden. Der Wein wird immer besser – perfekt mit 197 Gramm Restzucker und 9,2 Gramm Restsäure. Überaus gelungen auch der Muskateller-Sekt, mit 0,4 Gramm Restzucker das Gegenteil von süß. 

Entdeckt und überrascht

Bei 1000 Pfälzer Weinen kann es natürlich nicht bei Silvaner, Saint Laurent und den Lieblingswinzern bleiben. Es gab einiges zu entdecken, Überraschungen inklusive. Mit Ausrufezeichen im Kostbuch:

– Die beiden 2017er Riesling-Spätlesen trocken Forster Ungeheuer und Deidesheimer Grainhübel vom Weingut Julius Ferd. Kimich, Deidesheim. Gleiche Rebsorte, zwei Lagen, der eine im Holzfass, der andere im Edelstahl ausgebaut, zwei völlig verschiedene Weine.

Weingut Galler, Kirchheim. Absoluter Spezialist für Piwi-Sorten, da müssen Cabernet blanc (Klasse!), Johanniter und die Neuzüchtung VB CAL 6-04 probiert werden. Lohnt sich unbedingt, weil abseits des Weltweingeschmacks. Toller Sekt Pétillant Naturelle Blanc.

Weingut Isegrim, Bad Dürkheim. Der Bio-Pionier der Pfalz (seit 1983) hat generell ein schöne Portfolio und produziert auch Cabernet Blanc, aber ganz anderer Stil als bei Galler, eher vegetativ. Sehr spannend! Schöner Riesling-Sekt. 

2016 Zillertaler Schwarzer Herrgott Riesling Gewürztraminer, Weingut Janson Bernhard, Zellertal. Eine Rarität, weil Gemischter Satz, also beide Rebsorten stehen zusammen im Weinberg und werden auch zusammen ausgebaut. 

2016er Weißer Burgunder vom Landschneckenkalk, Weingut Kranz, Ilbesheim. Rchtig schön üppig, viel von allem. Darf auch mal sein.

– Die  Muskateller von Herbert Meßmer (2016), Burrweiler und Theo Minges (2017), Flemlingen. Beide nicht einfach nur süßlich-würzig sondern auch mit Persönlichkeit. Der Goldmuskateller von Theo Minges lohnt sich auch. 

2017 Grünfränkisch trocken, Weinhof Scheu, Schweigen. Grünfränkisch? Die Sorte galt bis 2008 als ausgestorben, war sie aber nicht. Schmeckt  tatsächlich irgendwie grün, hilft der Vielfalt. Und das ist gut so.  

2015 Frühburgunder St. Martiner Baron, Weingut Alfons Hormuth, Sankt Martin. Ein schöner, geschmeidiger und feinwürziger Rotwein. Die Sorte wird permanent unterschätzt.

2017 Huxelrebe Auslese edelsüß vom Weingut Sonnenhof, Hockenheim a.d.W. Süße-Säure-Balance gelungen, die Huxelrebe scheint auch verkannt.

Sonst noch

Das Konzept, die Wein-Show in Speyer auf sechs stilvolle Verkostungsorte zu verteilen, erstmals mit der Heilig-Geist-Kirche,  war erneut ein Volltreffer. Dazu eine tadellose Organisation und Kaiserwetter – Note 1.
Die Veranstalter müssen jedoch aufpassen. Bei aller Freude über Rekordbesuche: Am Samstag war es in den verschiedenen Destinationen schon sehr voll, das Gedränge war groß, was mitunter Verärgerung hervorrief.  
Die Winzer gaben sich viel Mühe, viele waren vor Ort.  Sehr positiv: die Weißweine waren meist richtig temperiert. Die Rotweine hatten oft Raumtemperatur, in der Regel kein Problem. Doch für manche Weine (gerade jüngere St. Laurent) ist Raumtemperatur eine Spur zu warm. Einige Winzer kühlten die Roten leicht an, das war gut.
Der Termin für 2019 steht schon fest: 13./14. April 2019, eine Woche vor Ostern.  Freue mich jetzt schon.  Erstmals werden auch Winzer aus dem Burgenland in Österreich zu Gast sein. Gute Idee.


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