Aus einer bekennenden Nicht-Riesling-Trinkerin ist eine Riesling-Freundin geworden. Wie das geht? Mit Rieslingen von der Mosel, ganz klassisch, konkret vom 16-Hektar-Weingut mit dem einprägsamen Namen Dr. H. Thanisch – Erben Müller-Burggraef.
Das Protokoll eines kleinen Wunders.
„Trinke ich grundsätzlich nicht“
„Nein, kein Riesling, ist mir zu sauer. Trinke ich grundsätzlich nicht.“ Dass mein Schwesterchen ein Glas eines wirklich schönen Rieslings (aus dem Rheingau) ablehnt, tut einem erklärten Riesling-Freund ziemlich weh. Aber wollen wir doch mal sehen. Da liegen im Keller doch noch Flaschen vom legendären Mosel-Weingut Dr. H. Thanisch – Erben Müller-Burggraef. Mosel, Riesling, Kabinett – das hat doch schon Königshäusern gefallen!
„Du und Riesling?“
Wir gehen gleich in die Vollen: 2015er Bernkasteler Doctor Riesling Kabinett. Der zarte Hinweis, dass der Berncasteler Doctor zu den berühmtesten Weinlagen Deutschlands gehört, hilft. „Na gut, aber nur ein Schluck.“ Dem folgt ein langes „Ooooohhh“ und sehr schnell die dringende Bitte, nachzuschenken. „Du und Riesling?“, fragt ihr Partner ungläubig. „Naja, so einer…“ Der „Doctor“ hat satte 68 Gramm Restzucker pro Liter, satte 8,9 Gramm Restsäure und schmale 8 Prozent Alkohol. Die Säure macht, dass der Wein nicht klebt, die Süße hilft, dass die Säure empfindlichen Gemütern keine Probleme bereitet. Die Balance ist toll gelungen. Die Frucht, Pfirsich oder Nektarine erkennen wir, ist präsent, aber nicht aufdringlich. Dazu die typische Mineralität. Ja, das ist ein Mosel-Riesling alter Schule, die neuerdings wieder ganz angesagt ist. Das Urteil „überaus bekömmlich“ fällt mehrfach. Die Flasche ist schnell leer.
Echter Härtetest
Mutig geworden sind wir bereit für einen Härtetest. 2015er Riesling Kabinett trocken, auch vom Weingut Dr. H. Thanisch – Erben Müller-Burggraef. Ein echtes Kontrastprogramm. Trocken ist er mit 7,3 Gramm Restzucker laut Gesetz schon, wenn auch in Sichtweite zu halbtrocken. Nach dem „Doctor“ wirkt der Wein aber staubtrocken, die Säure (7,1 g) ist präsent, aber oh Wunder, sie stört plötzlich niemanden. Liegt es an den Sushi, die es dazu gibt? In der Wein-Diskussion fallen die Stichworte „Zitrusfrucht“ (logisch), „Holunder“ (kann sein) und wieder „Pfirsich“ (mutig). Eine ausgeprägte Mineralität diagnostiziert jeder. Auch diese Flasche ist bald ausgetrunken.
Süße Belohnung
So viel Mut muss belohnt werden. 2015 Riesling Spätlese Brauneberger Juffer Sonnenuhr. Mosel-Fans wissen Bescheid: Auch diese Lage, extreme Steillage, trägt das Prädikat weltberühmt. Mit dem Prädikat Spätlese sind noch ein paar Gramm Restzucker (80,2) mehr im Spiel als beim Doctor. Klar wirkt der Wein süßer, Aromen von tropischen Früchten oder generell Trockenfrüchten werden erkannt. Sehe Verzückung in einigen Gesichtern. Die Fans charaktervoller Spätlesen sind begeistert, neue sind gewonnen. Persönlicher Favorit des kleinen Tastings ist aber der Doctor.
„Solche Rieslinge“
Komme noch einmal ins Staunen, als am Ende der Spruch fällt: „Riesling, immer wieder.“ Eine Bekehrung? Antwort: „Ich meine, solche Rieslinge.“ Dass bei der Recherche zum Weingut Dr. H. Thanisch – Erben Müller-Burggraef zu lesen ist, den Besitzern Barbara und Erik Rundquist sei „der Brückenschlag zwischen Tradition und Moderne“ gelungen, klingt nicht wie eine Phrase.
1 Kommentar
Gregor · 11/08/2017 um 14:09
Tatsächlich trinke ich auch bereits seit langem keinen Riesling mehr – oder zumindest nicht so gerne. Allerdings aus gegenteiligem Grund: mir waren die meisten Sorten immer zu süß!
Aber nach diesem kleinen Beitrag fühle ich mich motiviert mal beim Weinhändler meines Vertrauens nach einem Fläschchen 2015er Bernkasteler Doctor Riesling Kabinett zu fragen…mit dem geringen Zuckergehalt könnte das vielleicht was werden mit uns 🙂 .