Was für eine Gelegenheit: „Social Sherry Tasting 2017“, eine Kampagne des Sherry Informationsbüros Deutschland. Ein Date mit Sherry, konkret: Sechs verschiedene Sherrys testen, am besten bei unterschiedlichen Gelegenheiten, zu verschiedenen Speisen.
Die Strategie:  Zunächst eine Verkostung mit bekennenden Sherry-Freunden. Runde zwei mit Leuten, die noch keine Berührung mit Sherry hatten.  In Runde drei wird kulinarisch experimentiert. Das waren drei extrem spannende Sherry-Abende.

Etwas Sherry-Theorie

Sherry? Es folgt eine Kurz-Kurz-Erklärung, denn die Welt der Sherrys ist eine Wissenschaft für sich. Fast alle Sherrys werden aus einem trockenen Weißwein aus der Palomino-Traube hergestellt. Dem Wein wird nach der Gärung Branntwein zugesetzt und so auf 15,5 Volumenprozent Alkohol aufgespritzt. Anschließend reift er in zu ca. vier Fünfteln gefüllten, meist 600-Liter-Fässern an der Luft. Auf dem jungen Wein bildet sich ein Teppich aus Florhefe, der den Wein vor Oxidation schützt und den Zucker am Ende fast vollständig vergärt. So entstehen die trockenen Sherrys. Oloroso-Sherry reift oxidativ, ohne Florhefe, was dem Wein einen anderen Charakter gibt. In den süßen Varianten kommt die Traube Pedro Ximénez ins Spiel. Natürliche Heimat des Sherrys ist Andalusien und nur Weine aus dem andalusischen Städtedreieck Jerez de la Frontera, Sanlúcar de Barrameda und El Puerto de Santa Maria dürfen als Sherry bezeichnet werden.

Sherry-Typen

Finoist der trockenste und leichteste Stil mit der hellsten Farbe. Reift mindestens drei Jahre unter einer dicken Florschicht ohne oxidativen Einfluss, Alkoholgehalt15 und bis 18 Prozent.
Manzanilla …  ist eine besondere Art des Fino und stammt ausschließlich aus dem Gebiet Sanlúcar de Barrameda. Der Alkoholgehalt beträgt in der Regel 15 % oder leicht darüber.
Amontilladoentwickelt  sich aus dem Fino, wenn durch ein Absterben der Florhefeschicht die Oxidation an der Luft einsetzt. Dieses Absterben kann  durch Hinzugabe von Alkohol oder  altersbedingt geschehen.  Alkoholgehalt zwischen 16 und 22 %.
Palo cortado … eine Rarität. Durch das plötzliche Absterben der Florhefe reift der Wein über Jahre oxidativ, aus einem ursprünglich als Fino ausgebauten Wein wird so ein Palo Cortado.
Oloroso … wird ohne Florschicht und somit vollständig oxidativ  ausgebaut. Reift oft viele Jahre lang, Alkoholgehalt zwischen 17 und 22 %. Neben der trockenen Variante gibt es auch nachgesüßte Sorten.
Cream … sind mit Pedro Ximénez gesüßte Oloroso. Alkoholgehalt von 16 bis 18 % , Zuckergehalt liegt zwischen 115 und 140 Gramm/Liter.
PX … aus der Weißweinsorte Pedro Ximénez. Die Trauben werden vor dem keltern an der Sonne getrocknet. Ein natürlicher Süßwein mit fast sirupartige Konsistenz, 500 bis 500 Gramm/Liter Restzucker.

Die getesteten Sherrys

– Fino Tio Pepe von Gonzalez Bayss
– Manzanilla „Entusiastico“ von Delgado Zuleta, ein Bio-Betrieb
– Dry Sack von Williams & Humbert, eine Amontillado-Oloroso-PX-Cuvée
– Oloroso von Barbadillo
– Cream von Harveys
– Pedro Ximenez von Osborne

Der Test mit Sherry-Freunden

Für die war das Tasting natürlich pure Lust. Wir haben auf Empfehlung des Informationsbüros alle Sherrys aus Weißweingläsern (der neueste Trend?) getrunken. Das hat überrascht, kam aber gut an. Alle Weine kamen mit 5 – 7 Grad aus dem Klimaschrank auf den Tisch. Diskutabel, vor allem bei den Süßen gingen die Meinungen bzgl. der Temperatur auseinander. Das Protokoll:

Fino Tolle Nase, geröstete Haselnüsse, gebrannte Mandeln, frischgebackener Nusskuchen. Überhaupt nicht staubig wie manche früher. Herrliche Frische, für einen trockenen überraschend frisch. Wir verabschieden uns von der Vorstellung, dass so ein Sherry in Gentleman-Clubs getrunken wird. Modern. Findet großen Anklang: Bei zwei von vier Teilnehmern  „Tagessieger“.
Manzanilla In der Flasche helles Bernstein, im Glas eher Gold. Wieder Nüsse, diesmal grüne Wallnüsse. Oxidative Noten spürbar. Der Fino war klarer, frischer und eindeutiger. Leichte Schärfe, Bitterton. Starker Charakterkopf. Nach leichter Erwärmung (mit 5 Grad serviert) spürbare Verbesserung, die aggressiven Töne sind weg. Langes Finale, schön! Bei zwei von vier Teilnehmern „Tagessieger“, auch mein persönlicher Favorit.
Dry Sack  Bernstein-Farbe. Leichte Vanillenote, Karamell. Liegt zwischen trocken und halbtrocken, gibt es eigentlich vierteltrocken? Im Abgang Milchkaramell, Werthers Echte? Macht schon Spaß, wirkt aber auch irgendwie beliebig. Frage: Wann trinken wir den? Wo ist sein Platz?
Oloroso Dunkleres Bernstein als der Dry Sack. Im Bouquet frischer, markanter, deutlich weniger Süße, viel Charakter. Blätterkrokant. Trockenfrüchte. Rosinen. Bitterschokolade mit Orange. Hat 50 Gramm Restzucker, davon ist aber kaum etwas zu merken. Sehr spannend. Klarer  Sherry-Typ, charakterstark. Bitterton, Bittermandel?
Cream Zu kühl? (7 Grad) Wir warten. Schmeckt nach Bisquitrolle mit Eiercreme im Café Ideal in Tavira. Gefällig, leicht trinkbar. Reiht sich ein in schöne Madeiras, Ports und so weiter. Ein Hauch Crème brûlée. Baileys? Massentauglich, findet seine Fans.
Pedro Ximenez Farbe wie Alceto Balsamico. Ölig. Dunkelbraun. Getrocknete Pflaumen, eher Dattelsirup, gebrannte Mandeln, bisschen Weihnachtsmarkt. Oder doch Johannisbrot-Sirup? Kaffee-Aromen. Steht als Dessert für sich da, da muss man nix zu essen.  Mit Erwärmung extrem schokoladig. Mehr davon!

Der Test mit Sherry-Newcomern

Für die war das Tasting eine spannende Geschichte. Die Neugier der in Sachen Sherry völlig Unerfahrenen war groß, Kontrastprogramm zum Abend davor. Auch hier alle Sherrys aus Weißweingläsern. Auch hier kamen alle mit 5 – 7 Grad aus dem Klimaschrank auf den Tisch, das Tasting fand jedoch im Freien statt. Interessant war, dass die Teilnehmerin, die zu Beginn sagte „Ich trinke auf aber nichts Süßes“ ausgerechnet am Cream Gefallen fand und Nachschlag orderierte.  Das ungefilterte Protokoll der Bemerkungen zu den jeweiligen Weinen:

Fino „In der Nase erst einmal Schnaps. Staubig, der ganze Mund trocknet aus. Würde ich mir nicht bestellen, ziehe jeden Wein vor. Fass-Geschmack, Richtung Grappa, nussig.“
Manzanilla  „Viel gefälliger, obwohl gleiches Grundaroma wie Nummer eins, aber eine Nuance weicher. Holziger, süffiger, Bittermandel. Der hat schon was. Beobachten!“
Dry Sack  „Rosinen, Trockenfrüchte! Riecht aber süßer als er ist.  Gefällig, aber schön gekühlt muss er sein. Kann ein Freund werden, das dürfte aber dauern.“
Oloroso „Anstrengend, würde ich nicht freiwillig trinken. Ist zwar nicht süß, schmeckt aber überhaupt nicht. Erinnert an einen Kräuterlikör, Gebirgskräuter aus Ostsachsen. Oder Unicum? Glycerin irritiert, muss das sein? Leder könnte auch drin sein, Toffee ist gut beobachtet.“
Cream „Richtig schöne Farbe, trinkt sich gefälliger. Der Alkohol ist nicht mehr so im Vordergrund. Der wäre schon ein sehr netter Aperitif (sagt die Süßweinfeindin). Ist vollmundig, aber für mich wirkt der immer noch relativ leicht. Würde gerne noch ein zweites Glas nehmen.“
Pedro Ximenez „Sieht aus wie Motorenöl. Geht gar nicht, viel viel zu süß. Klebt. Mocca Edel, dass isses. Vielleicht auf Vanilleeis? Steht aber sehr für sich. Trinkt sich schon, da geht aber keine Flasche. Schmeckt nach Lakritze, die wird nur selten getrunken.“

Die kulinarischen Erfahrungen

Bei beiden Testrunden gab es diverse Speisen. In der dritten Runde, dem berühmten „Reste-Trinken“, wurde nochmal kulinarisch experimentiert.
Einige Erfahrungen: Sherry kann zu Speisen ein wahres Chamäleon sein – da klappt vieles richtig  gut und es gibt auch immer wieder Überraschungen.
Der Klassiker zu Fino oder Manzanilla sind bekanntlich Tapas, das wäre für ein Tasting aber langweilig. Deshalb wurde einiges probiert.
Sushi – Fino dazu wunderbar. Zitronen-Carpaccio plus  Salat mit Hähnchen-Herzen – toll mit dem Fino. Manzanilla und Walnüsse – eine Offenbarung. Mit den Zitronen hat es nicht funktioniert. Pasta mit Walnusspesto – großartige Verbindung mit dem Oloroso, mit dem Dry Sack eher nicht. Für den Dry Sack hatten wir kulinarisch keine rechte Verwendung. Zu gegrilltem Fleisch fällt Sherry nicht auf, aber auch nicht ab. Ob nun Fino, Manzanilla oder Oloroso  –  sie laufen alle irgendwie gut mit.  Die Süßen natürlich zu Kuchen und zum Pudding gut, aber der PX ist schon sehr dominant. Haben ihn als Sauce zum Pudding probiert, das  ist was für Liebhaber. Highlight dann das letzte Glas PX mit Zigarre – eine Hochzeit.

Fazit einer so ereignis- wie lehr- und genussreichen Sherry-Woche:  Früher vieles falsch gemacht! Da gab es (wenn überhaupt mal) Sherry aus Mini-Gläsern und meist zu warm, leider ganz oft auch Erfahrungen in Restaurants. Sherry war klassischer Aperitif, jetzt hat sich gezeigt, der kann mehr.


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