Die ProWein ist Pflichttermin – eigentlich. Persönlich auf der Südhalbkugel unterwegs, übernahm das Beobachten in Düsseldorf 2015 aus der Weinbeobachter-Crew Theo M. Lies. Der war nach drei harten Arbeitstagen irritiert und begeistert zugleich. Hier seine Notizen von der immer größer und bunter werdenden größten Weinmesse der Welt . 

Wie tote Affen eine Messe beleben

Von den Etiketten brüllen sie einem entgegen: Tote Affen, seltsame Tiere, Totenköpfe, wilde Sprüche oder Tarot-Kartenhelden. Wir sind am Stand von Gipsy Wines. Eine Frankfurter Wein-Agentur steckt dahinter, die organisiert für eine Handvoll Winzer aus Deutschland, Portugal und Frankreich den Vertrieb, und das in der Manier mittelalterlicher Marktschreier. Das ist nichts für schwache Nerven. Auf dem Düsseldorfer Eckstand in Halle 14 stehen ein abgewetztes Sofa, ein plüschiger Teppich, wackelige, zusammengehauene Regale und die Akteure offenbar auf Leder und Tattoos.
20150316_113225Wie André Riehle, ein Grafik-Designer aus Offenburg. Auf dessen bunten Armen tummeln sich auf engstem Raum die gestochenen Bildgeschichten. Sie ragen aus einem T-Shirt, das trotzig verkündet, eigentlich zu sehr alkoholisiert zu sein, um noch einen passablen Beischlaf hinzubekommen. In Englisch hört sich das freilich knackiger und direkter an.
Und während der Standgast noch über all dem grübelt, kommen die Rieslinge ins Spiel, die ein lächelnder André Riehle präsentiert. Sie heißen The Dead Monkey oder Monkey Business. Doch die Tropfen sind keinesfalls fauler Zauber. Solide Weine, prinzipiell trocken ausgebaut, die in der Mittelklasse allemal mithalten können. Im Outfit aber, da wird polarisiert, was der Zeichenstift hergibt. Riehle ist der grafische Kopf der Gipsy Wines. Seine Devise: Hauptsache anders. Seine Zielgruppe: Punks, Pirates und Tschabos (so steht’s auf dem Etikett). Seine Feinde: Konventionen. Da gibt es dann auch schon mal eine Rotwein-Mixtur, die sich in schrillem Lila Porno noir nennt. Mit dem Zusatz: Eine geile Cuvée. Wo da der gute Geschmack bleibt? Ganz einfach, auf der Strecke, aber…
Aufmerksamkeit ist das höchste Gut, dass auf einer Messe mit mehr als 5000 Ausstellern errungen werden kann. Nach Messeschluss steigt hier jedenfalls die wohl lauteste Party von Halle 14. Dort treffe ich auch jene Kollegen wieder, die mich vorher naserümpfend vor diesem Stand gewarnt haben, wie uns früher die Großeltern, wenn das fahrende Volk ins Dörfchen kam. Hingegangen sind wir trotzdem.

Goldsekt

Apropos erlaubt, was nicht verboten ist. Danziger Goldwasser ist ein faszinierender Likör, den ich in meiner Kindheit gern geschüttelt habe, um die wertvollen güldenen Teilchen zum Schweben zu bringen. Das geht auch mit Sekt. Am Stand von Rominox, einem Anbieter von Weinaccessoires Made in China, drehte sich auch unermüdlich eine transparente Schaumweinflasche mit wirbelnden Goldflocken. Asiatische Verbraucher brechen sofort in orgastische Verzückungen aus, während der EU-affine Bürger fragt: Dürfen die das? Die Antwort ist Nein, nach dem Weingesetz sind solche Zusätze nicht erlaubt. Eigentlich, schränkt die Standbetreuung etwas spitzbübisch ein. Denn, der Zusatz von Likör als Dossage ist bei Sekt erlaubt. Auch der Zusatz von Danziger Goldwasser. Gewusst wie!

Bio-Trend

Bio-Wein will nicht nur bio sein, sondern auch als Wein ernst genommen werden. Deshalb reihen sich in Düsseldorf immer mehr Erzeuger mit grünen Siegeln in die Präsentationsinseln der jeweiligen Weinanbaugebiete. So das Weingut Zwölberich von der Nahe. Einst kam von hier nur Fasswein. Doch die Lagen geben mehr her. Seit einer Generation wird selbst gekeltert. Die 33 Hektar rund um Langenlonsheim werden nach Demeter-Vorgaben biodynamisch bewirtschaftet, im Keller wird wenig Schwefel eingesetzt und bei der Klärung wird gelegentlich auf tierische Produkte verzichtet, um den 800.000 Veganern allein in Deutschland wenigstens Weingenuss zu ermöglichen. Genesis nennt sich ein Riesling Kabinett trocken mit 12,5 Prozent, der den Geschmackstyp von der Nahe sehr gut repräsentiert. Die Überraschung ist für mich ein Auxerrois, trocken ausgebaut. Für die Zwölberichs nicht, denn sie haben schon in den achtziger Jahren auf diese Rebsorte gesetzt. Deshalb auch dieser Wein aus Alten Reben.

Lagrein für Weihnachten

Lagrein aus Südtirol gehört zu meinem Standardprogramm auf der ProWein. Man kann die Südtiroler nur beneiden um eine solche Rebsorte, die im Basisbereich herrliche Geradeaus-Tropfen liefert (Kellerei Nals Margreid, Franz Haas), die mal weich, mal etwas kantiger daher kommen. Stahltanks und großes Holz wird meist eingesetzt. Für die Riserva spielen die Winzer dann oftmals mit dem ganz großen Orchester. Späte Lese, Barrique-vergoren und dort die nächsten Monate auf der Hefe gereift. Manches Mal reift eine Partie parallel im Stahl. Auf Castell Sallegg wird im Edelstahl vergoren und anschließend 16 bis 18 Monate das große Holzfass bemüht. Sehr weiche Tropfen sind das Resultat. Seine 12er Riserva (18,00 Euro) ist der diesjährige Lagrein Favorit. Andere Südtiroler Produzenten lassen mehr Holz zu. Und immer mal kommt auch noch ein Anteil luftgetrockneter Lagrein-Beeren zu Ehren, die – ähnlich unseren Beerenauslesen – edelsüßen Sirup spendieren. Bei Ansitz Waldgries nennt sich das Mirell Riserva 12er Lagrein Riserva. Das ist was für Weihnachten 2017!

Gipfelstürmer

Eine Südtirol-Verkostung ohne den Feldmarschall von Fenner ist für mich aber undenkbar. Seit 1972 wird auf einer Höhe von 1.000 Metern am Fennberg Müller-Thurgau gehegt und gepflegt. Das ist Höhenrekord in Europa. Der Senior Herbert Tiefenbrunner aus Entiklar hatte diese Idee und der Aufwand lohnt. Sehr komplexe Weine sind der Lohn für diese Gipfelstürmerei. Auch der 13er Jahrgang, der im Juni in den Handel findet, kommt rassig daher und steht gut in der Tradition dieses ungewöhnlichen Müller-Thurgaus. Zudem ist jeder Schluck auch ein Stück Geschichtsunterricht. Feldmarschall von Fenner ist ein Held der sehr wechselvollen Südtiroler Freiheitsbewegung, der auf dieser Anhöhe seine Sommerresidenz bezog.
Nur 100 Meter tiefer liegt eine weitere Müller-Thurgau-Fläche, oberhalb von Kurtasch. Die dortige Kellerei bewirtschaftet die Lage Graun mit sandigem, lehmhaltigem Kiesboden. Auch hier eine exotische Frucht mit bestem Säuregerüst, das von weißen Reben weiter unten im sommerheißen Etschtal schon etwas neidisch betrachtet wird. Absolute Empfehlung (Kellerei Kurtasch, Müller-Thurgau Graun, 10,30 Euro ab Hof)

In aller Kürze

Von China wird man künftig mehr hören und trinken. 600 Produzenten gibt es bereits, vorwiegend im Norden. Bald wird das asiatische Land den größten Weinmarkt der Welt bieten. Doch bevor China eine eigene Halle in Düsseldorf brauchen wird, exportiert die ProWein ihre Messeidee im November wieder nach Shanghai.

Das häufigste Wort auf der Messe (und das nicht nur bei den Jungen Wilden, die fast gar nicht mehr jung und wild sind): Spontanvergärung.

Man gönnt sich ja sonst nichts, außer vielleicht diesen Sherry: PX Pedro Ximenez von der Bodegas Robles S.A. aus Cordoba. Angebaut im Herzen Andalusiens, der Region Montilla-Moriles, tropft er nur langsam ins schmale Gläschen. Der hat von allem so viel, dass er mit  Körper, Süße und Frucht nicht prahlt, sondern sie einfach auf der Zunge kommen lässt. Das liegt wohl am Jahrgang 1927. Das macht sogar die nervigen, stundenlangen Staus bei Hin- und Rückfahrt von und zum Messegelände vergessen. Wo es so etwas Schönes gibt, da möchte man auch wieder hin.


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