Kurztrip ins Kamptal, das Scharnier zwischen Wachau und Weinviertel, der Region, wo Riesling und Grüner Veltliner zur Hochform auflaufen. Österreich von seiner besten Seite, und das auf mehr als 3800 Hektar Rebfläche.

Loisium in Langenlois

Loisium in Langenlois

Zuerst ein „touristischer“ Tipp: Im Kamptal-Hauptort Langenlois unbedingt das Loisium besuchen. Der futuristische Bau des New Yorker Architekten Steven Holl nennt sich „Weinerlebniswelt“ und ist ganz gut gemacht, auf alle Fälle mehr als nur ein Museum. Zeit nehmen!
Eine dringende Empfehlung ist auch der dort startende Weinweg. Nicht an der falschen Stelle sparen: Für 20 Euro gibt es Infomaterial, ein Kostglas und – am wichtigsten – einen Schlüssel für die „Weinsafes“ mit auf den idyllischen Weg mitten durch die Rebrgärten. An drei Stationen unterwegs kann Sekt bzw. Wein verkostet werden, das macht einfach Spaß.

So viel aus der Kategorie Tourismus und Entspannung, natürlich stehen die Weine im Mittelpunkt.
Entree beim herrlich gelegenen Heurigen Baumbart in Zöbing, direkt an der Parade-Lage Heiligenstein. Das Risiko, dass das großartige Ambiente die Sinne vernebelt, ist nicht zu leugnen Doch an der Weinen vom Weingut Baumgartner gab es nichts zu bemängeln. Der Veltliner ist fast wuchtig, der Riesling Baumbart Reserve hat viel Charisma. Nicht verpassen: Die Veltliner Beerenauslese.
Und weil einmal vom Heurigen in Zöbing die Rede ist: Beim Weingut Jungwirth hat neben dem Riesling Terrassen (mineralisch, Säure satt) die Zweigelt Reserve gut gefallen, schöne Würze, schlanker Körper, mit Genuss trinkbar.

 Nun aber zu großen Namen im Gebiet.

Weingut Loimer

Weingut Loimer

Weingut Loimer in Langenlois, der vor reichlich zehn Jahren auf einem historischen Gewölbekeller errichtete minimalistische Kubus ist nicht zu übersehen. Seit 2006 arbeitet Fred Loimer nach biodynamischen Richtlinien. Löblich. Gilt auch für die Weine.
Der im Stahltank ausgebaute Veltliner ist schlank, von schöner Klarheit, keine Einwände. Weiter geht’s mit dem Grüner Veltliner Terrassen Kamptal Reserve 2012, im Holzfass ausgebaut und ein feines Beispiel für Austrias Paradesorte. Fruchtig, würzig, pfeffrig – alles dabei. Der Veltliner aus der Lage Käferberg (Kamptal DAC Reserve) von 2012 steht wie eine 1 im Glas, ist wohl bei allen Gelegenheiten richtig.
Die Rieslinge müssen sich nicht verstecken. Der 2013er Langenlois Riesling ist sortentypisch, wirkt noch ein wenig verhalten, hat schöne Säure. Der Riesling Seeberg 2012 DAC Reserve (50 Prozent im Eichenholzfass, 50 Prozent im Stahltank ausgebaut) ist schön balanciert, ein Steinobst-Säure-Spiel wie Ying und Yang, hat ein langes Leben vor sich. Auch nett: Das Weißweincuvée „Am Manhartsberg“ von 2012 (Chardonnay, Grauburgunder, Weißburgunder), mit Zitrus- und Grapefruitaromen, fruchtig, obwohl kaum Restzucker (1,1g).
Dass Kamptal/Loimer nicht nur Weißwein (80 Prozent der Anbaufläche) kann, beweist der 2011er Zweigelt, vielschichtig, fruchtig, mit Kirscharomen, vielleicht fehlt etwas Eleganz. Und wir dürfen gespannt sein. Ab dem Jahrgang 2014 gibt’s Traminer, ein Malvasia soll auch kommen.

Weingut Jurtschitsch

Weingut Jurtschitsch

Nächste Station Weingut Jurtschitsch, auch in Langenlois, auch ein großer Name und einer mit großer Tradition: Der Lesehof ist fast 500, der Keller fast 700 Jahre alt. Auch hier wird seit 2006 organisch-biologisch gewirtschaftet. Start mit „Grüve 2013“, die Marke feiert ihren 27. Geburtstag und präsentiert sich wie eh und je: leicht, unkompliziert, frisch. Mehr Mineralik, mehr Raffinesse hat der Grüne Veltliner Stein 2013 DAC Reserve. Der 2012er Veltliner von der berühmten Lage Dechant ist im Vergleich reifer, hat eine schöne Cremigkeit, ist schön ausbalanciert, großer Genuss. Sein „Bruder“ – Grüner Veltliner 2012 von der Lage Lamm – schmeckt anders, wirkt noch erwachsener. Weil Lamm eine Terrassenlage ist? Schönes Beispiel, wie unterschiedlich sich Brüder entwickeln können. Der Favorit ist Geschmackssache, bei mir war es der Dechant.
Bei den Rieslingen geht’s mit dem Platin 2013 los, Anklänge von Steinobst, Marille, schöne Klarheit. Der Riesling Heiligenstein 2012 hat von allem mehr, dazu ein schönes Säure-Rückgrat, feiner Wein.
Jurtschitschs haben auch feine Rote, die Cuveés Rotspon sind Klassiker.  Der Rotspon Classic (80 Prozent Zweigelt + Cabernet + Merlot) ist 12 Monate im gebrauchten Barrique gereift. Der Rotspon Reserve in frischen Barriques, der 2011er wirkte noch ziemlich verschlossen,  Riesenpotenzial!

Weingut Retzl, Keller

Weingut Retzl, Keller

Doch auch bei weniger berühmten Namen des Gebietes kann Freude aufkommen. Im Weingut Retzl in Zöbing zum Beispiel. Der Keller liegt am Heiligenstein, der zu Österreichs berühmtesten Lagen gehört. Kein Wunder, dass der Riesling Heiligenstein nett ist, die Steigerung, der Riesling Heiligenstein Bergjuwel – kräutrig, zitronig, rassig – sogar schön. Auch die Veltliner machen Spaß. Eine interessante und durchaus seltene Spielart ist der Rote Traminer von der Ried Lamm mit feinen Rosentönen. Insgesamt ein sehr gutes Preis-Leistung-Verhältnis. Der Bonus: Ein echtes Highlight ist der historische, über 400 Jahre alte Keller!

Noch ein Kultur-Tipp: Im Sommerhalbjahr findet an jedem Wochenende immer irgendwo ein Kellergassenfest statt. Ein Muss.


0 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Avatar-Platzhalter

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Time limit is exhausted. Please reload CAPTCHA.