St. Anna am Aigen - WeinwegRund 150 Weine verkostet – alles dabei von Klasse bis Durchschnitt – interessante Begegnungen, hübsche Landschaften, viele Entdeckungen. Wie geht das alles in einer Woche? Es geht, in Österreich, bei einer kleinen Wein-Rallye.

Start in der Südost-Steiermark, konkret in St. Anna am Aigen. Dort gibt es einen herrlichen Weinwanderweg und eine ambitionierte Vinothek. Kleine Verkostung durch das Sortiment: Der lokale Klassiker, der Welschriesling, ist solide, die Klöcher Traminer machen Spaß, bei den Weißburgundern gibt es anderswo bessere, mit mehr Charakter. Heimlicher Star der Spontanverkostung ist jedoch der Silvaner, geschrieben klassisch Sylvaner, vom Weingut Frauwallner in Straden: Ganz viel Charisma weil Silvaner hoch drei, mit allen typischen Eigenschaften und schöner Säure, großartig. Heißer Tipp!
Besuch beim Weingut Winkler-Hermaden in Kapfenstein. Das Traditionsgut stellt auf biodynamischen Weinbau um. Für die Fässer wird eigenes Holz verwendet! Engagierte, qualifizierte und charmante Führung einer Mitarbeiterin (goldwert!). Aber was für eine Überraschung: Die Rotweine! Südoststeiermark gleich Weißweinland, so die Erwartung, doch auf Schloss Kapfenstein ist es ein bisschen anders. Jaja, der Morillon (Chardonnay) ist im Soll, der Sauvignon macht Spaß, spannend der Vergleich der 2012er konventionell angebaut und den Bio. Man kann nicht sagen, was besser schmeckt, aber sie schmecken verschieden. Doch dann, die Roten: Ein sehr schöner Pinot Noir Winzerkogerl (2009). Der Hermada 2009 – ein Merlot-Cabernet-Zweigelt-Cuvee – ist richtig Klasse, viel Charisma, langes Leben. Beim Olivin – 18 Monate im Barrique gereifter Zweigelt – gewinnt der kräftige und runde 2007er gegen den noch etwas spröden 2008er. Die Roten müssen mit, wer hätte das gedacht.

Boxenstopp in der Thermenregion bei Hannes Hofer in Gumpoldskirchen. Sein Heuriger lässt schon mal Raum und Zeit vergessen und bietet das ideale Ambiente, sich durch das Sortiment zu probieren. Lohnt sich und macht auch noch Spaß. Aufgefallen sind: Der Neuburger, klar, erfrischend, unkompliziert, leicht zu trinken; der Spätrot Rotgipfler, rassig und lange präsent; die Zweigelt Reserve, schön rund und intensiv; die hübsche Zierfandler Beerenauslese sowie der Zierfandler Eiswein, der noch lange wie ein Honigbonbon im Gaumen präsent ist.

Jetzt Wien. Die einzige Millionenstadt, in der ernsthaft Weinbau betrieben wird. Die Wanderung über den Nussberg ist Hochgenuss. Der Wiener Klassiker ist der Gemischte Satz, kürzlich erst geadelt. Sehr schön und typisch sind die von Mayer am Pfarrplatz und Wieninger. Abstecher nach Klosterneuburg. Das Weingut des dortigen Stifts rühmt sich, als erstes Weingut in Österreich klimateutral zu wirtschaften. Löblich, löblich, vor allem aber müssen die Weine in Ordnung sein. Sind sie. Die Weißburgunder waren eine dringende Empfehlung, und ja, sie sind überaus passabel. Der Gutswein ist von schöner Eleganz, fast weich, nussig, der Lagenwein „Jungherrn“ wirkt noch geschmeidiger und hat Zukunft. Der Gemischte Satz ist für den Alltag, der Riesling hat nicht so überzeugt.

Finale schließlich im Weinviertel, klassisches Veltlinerland, irgendwie noch unterschätzt, für Freunde des Grünen Veltliners freilich ein Muss. Immer noch eine Gegend für Entdeckungen. Vielleicht auch des mangelnden Selbstbewusstseins? Erlebnis bei einem Winzer: „Sie kommen aus Deutschland? Da brauchen Sie unseren Riesling gar nicht probieren, da haben Sie bessere…“ Hmmm. Die Runde hat sich auch ohne den Riesling gelohnt. Weingut Neuhold in Eggenburg zum Beispiel, solider Veltliner DAC für 5,50 Euro, feines Preis-Leistung-Verhältnis. Der Veltliner von der Lage Terrassen Königsberg ist kein DAC, weil zu kräftig, aber der findet auch Anhang. Die Terrassen Königsberg liegen in Röschitz, d e r Weinort im Weinviertel. Dort residiert das Weingut Ewald Gruber. Der Veltliner DAC ist Klasse weil klassisch und absolut auf den Punkt gebracht. Spannend der Vergleich der Veltliner von den Lagen Reipersberg und Hundspoint, die nur einen Kilometer entfernt liegen. Die erste hat Urgesteinsboden (Granit), die zweite einen 30-Meter-Lößboden. Beide Veltliner wurden am gleichen Tag gelesen und schmecken doch so verschieden. Der Boden! Der im Barrique (15 Monate) erwachsen gewordene Veltliner Mühlberg wird seine Freunde finden, ich mag die „ungeholzten“ lieber. Schließlich rettet Ewald Gruber Junior, Kellermeister des Familiengutes,  die Ehre der Weinviertler Rieslinge. Er rät nicht ab, sondern zum Probieren. Zum Glück, denn sowohl der schön mineralische Riesling Röschitz (komplett auf Urgestein) als auch der muskulöse Riesling Königsberg sind schöne Tropfen. Schade, dass der Muskateller schon ausgetrunken ist, der hatte viele Vorschusslorbeeren. Nächster Halt im Weingut Loiskandl in Grund, eine Art Geheimtipp, mit einem angesagten Heurigen und passablen Weinen. Mit einem Plus im Notizblock: der Weinviertel DAC, klassischer Veltliner; der Laurenzo, würzig, pfeffriger St. Laurent aus dem Barrique; der Cabernet Sauvignon, auch aus dem Barrique und ein echter Kerl von Wein.

Endstation Retz nahe der tschechischen Grenze, dort gibt es am Markt eine gut sortierte Gebietsvinothek namens Weinquartier. Nochmal letzte Tests einiger Veltliner, Gewinner ist ein guter Bekannter: der Grüne Veltliner von Hofbauer Schmidt, schon bei diversen Wien-Ausflügen eine sichere Bank und auch hier keine Enttäuschung.
Gilt überhaupt für die kleine Weinrallye Österreich.

St. Anna am Aigen - Weingärten


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